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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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kriegst alle neuen Fotos deiner Leute, bist immer bestens informiert. Und zahlst nichts. Wo gibt es denn so was? Die Leute bei Facebook müssen ja große Menschenfreunde sein. Eine riesige karitative Einrichtung. Ich lache mich kaputt.«
    »Bist du noch nicht drauf gekommen, dass das über Werbung finanziert wird? Bei so vielen Leuten ist das doch eine perfekte Werbeplattform«, kontert Zoe.
    »Klar. Hast du da schon mal Werbung gesehen?«
    Zoe zögert, klappt dann ihren Block auf. »Gut. Ich schreibe also, dass das Ende der Weimarer Republik noch heute bei Starbucks und auf Facebook beobachtet werden kann.«
    Carl lacht. Nicht hochnäsig oder verächtlich. Er lacht ein echtes, kurzes Lachen.
    Zoe zuckt. Einen ätzenden Carl kann sie noch gerade eben so ertragen. Einen gut gelaunten bestimmt nicht.
    »Ich denke, wir sollten das etwas anders formulieren«, sagt er grinsend.
    Zoe hat sich gefangen, lehnt sich zurück. »Kann mir schon vorstellen, warum du das hier so kacke findest. Weil es dir fremd ist. Normalerweise triffst du dich mit deinen Kumpels wohl eher an eurem Kiosk. Da hängt ihr dann stundenlang ab, macht Wettrülpsen und labert die Mädels doof an. Das geht auf Facebook ja schlecht.«
    Aus Carls Gesicht ist das Lachen gewichen. Er verschränkt die Arme. »Genau, und die Bierflaschen mache ich mit den Zähnen auf. Ich bin eben so ein richtiger Voll-Asi. Einmal in der Woche gehe ich in die Kleiderkammer, um mir neue Klamotten zu holen und unser Mittagessen bekommen wir von der Tafel. Meine Mutter geht zwar anschaffen, aber in ihrem Alter bringt sie nicht mehr so viel Kohle nach Hause.«
    Zoe fühlt, wie sie rot wird. Sie steht abrupt auf. »Ich muss mal eben auf die Toilette.«
    Carl lehnt sich nach vorne. »Willst du wieder deinen Slip ausziehen? Vergiss es. Das zieht bei mir nicht.«
    Mit rasendem Herzen schließt Zoe sich in eine Kabine ein, versucht sich abzuregen. Warum macht dieser Typ sie so nervös? Was provoziert sie so? Warum muss sie ausgerechnet mit diesem Kotzbrocken das Referat halten? Am Waschbecken lässt sie sich kaltes Wasser über die Hände und Handgelenke laufen.
    Carl träumt aus dem Fenster als sie zurückkommt. Sie greift sich wieder ihren Block. »Ich habe mir was überlegt: Ich kann das Referat auch alleine schreiben, wenn du da keinen Bock drauf hast. Wäre vielleicht auch einfacher«, sagt sie ruhig.
    »Ich habe da total Bock drauf. Ist doch ein super span nendes Thema.« Carl guckt ihr mit großen Unschuldsaugen ins Gesicht. »Lass uns doch einfach mal anfangen. Ich glaube auf jeden Fall, dass es Unsinn ist, dass die Menschen nicht wussten, wie Demokratie funktioniert. Natürlich wussten die das. Das war ihnen nur zu anstrengend. Die wollten gar nicht selber bestimmen, die wollten nichts selber machen, selber denken und selber entscheiden. Die wollten regiert werden. Das ist doch viel bequemer.«
    »Schade, dass das beim Fernsehen nicht stimmt. Da wollen die Leute nicht sehen, was andere ihnen servieren. Da machen plötzlich alle selber mit und sitzen mit ihrem Fünfzig-Wort-Stammvokabular in einer Talk-Show. Grässlich«, stöhnt Zoe.
    »Auch die Verarsche. Da zahlen die Leute Kohle fürs Fernsehen und machen es dann selber. Und den Sendern ist es noch nicht mal peinlich, einen Praktikanten als Moderator zu verkaufen. Die mieten für ein paar Euro eine Halle in der hinterletzten Gegend, stellen drei Scheinwerfer und eine Kamera hinein und schon kommen die hinterletzten Typen und quatschen dummes Zeug. Super Geschäftsmodell«, ereifert sich Carl. »Hast du eigentlich mal Die Welle gesehen? Das ist genau unser Thema«, fügt er an.
    Zoe nickt. »Das war echt hammerhart. Haben wir letztes Jahr geguckt. Mir ist wirklich schlecht geworden.«
    »Die Jugendlichen in dem Film waren alles andere als demokratie-unerfahren. Die sind alle in einer Demokratie aufgewachsen, kennen überhaupt kein anderes System. Und trotzdem sind sie zu einer gewalttätigen Masse geworden. Kann ich dir noch was mitbringen?« Carl ist während der letzten Worte aufgestanden, wendet sich Richtung Theke.
    »Einen Kaffee, bitte«, sagt Zoe und muss fast ein bisschen lächeln. Sie beobachtet Carl wie er da in der Schlange steht. Sie hat den Eindruck, sie kann seine Präsenz bis zu ihrem Tisch hin fühlen.
    Als er zurückkommt, stellt er einen Kaffee und einen Heidelbeermuffin vor Zoe. »Ist gerade frisch aus dem Ofen, müsste noch warm sein. Du magst die doch.«
    Sie zuckt. Dass sie Heidelbeermuffins liebt,

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