Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
Vom Netzwerk:
und ich zögere, weil ich weiß, dass ich wie eine Dreijährige klinge, die jemanden verpetzt, aber ich kann nicht aufhören: »Sie macht mir Angst.«
    Die Luft um uns herum vibriert. Ich fühle mich an den Angriff auf Summer Hill erinnert, ducke mich, beschirme den Kopf mit den Armen und kneife die Augen zu. Ich hätte wissen sollen, dass die Lichthexen mich nicht kampflos gehen lassen würden.
    Aber statt Schlachtenlärm herrscht tiefes Schweigen, bis meine Mutter in eisigem, harschem Ton blafft: »Annalise!«
    Ich öffne halb die Augen, verharre aber in meiner Kauerstellung. Die Augen meiner Mutter blitzen vor Wut.
    »Ja, Malin?« Annalise erscheint links von mir und verneigt sich leicht.
    »Hast du absichtlich meiner Tochter Angst gemacht?«
    »Ich …« Annalise hält sich vor Schmerzen den Kopf. »Es tut mir leid«, schreit sie auf und krümmt sich. Ihr rabenschwarzes Haar fällt ihr ins Gesicht und verdeckt es. »Das war keine Absicht – wir wollten nur Beck erschrecken.«
    »Habe ich dich angewiesen, auch nur einem von beiden Angst einzujagen?« Mutter starrt Annalise böse an. »Habe ich das getan?«
    Ein Lächeln lässt meine Mundwinkel zucken. Nach allem, was sie mir – und Beck – angetan hat, verdient Annalise alles, was sie jetzt abbekommt.
    Immer noch gekrümmt, zuckt Annalise zurück. »Nein, Malin. Das hast du nicht.«
    Mit einer schnellen, ruckartigen Kopfbewegung entlässt meine Mutter Annalise, die sofort verschwindet. Ich starre die Stelle an, an der sie eben noch gestanden hat, und tiefe Befriedigung durchströmt mich. Es freut mich, Annalise bestraft zu sehen. Wenn ich nur auch solchen Respekt von anderen einfordern könnte!
    Kyra zwinkert, wirft mir eine Kusshand zu und folgt Annalise ins Nichts. Eine gewisse Leere macht sich in meinem Herzen breit, sobald sie verschwunden ist. Bis zu diesem Augenblick war mir gar nicht klar, wie sehr ich meine Freundin vermisst habe. Sosehr ich Eloises Gesellschaft auch genieße, sie wird nie einen Ersatz für Kyra darstellen.
    Mutter streicht sich mit den Händen das Kleid glatt und rückt ihre Halsketten zurecht, damit sie gleichmäßig anliegen. »Siehst du, Liebes? Ich werde nie zulassen, dass dir jemand schadet.« Ihre Stimme ist wieder sanft und klingt wie Glockengeläut. »Wollen wir?« Sie nimmt meine Hand und führt mich zu dem Bauernhaus. Obwohl ich sie fürchten sollte, macht mir nichts an meiner Mutter Angst.
    Das Bauernhaus ist rustikal, wie ich es auf Bildern aus der Zeit vor mehreren hundert Jahren in Schulbüchern gesehen habe. Ein Feuer prasselt in einer Ecke, wärmt den Raum und verbreitet einen sanften Schein. Ein grober Holztisch, auf dem ein beeindruckendes Festmahl steht, dominiert das Zimmer, und die gegenüberliegende Wand wird von bis zur Decke reichenden Bücherregalen voller Merkwürdigkeiten eingenommen. Im Hintergrund läuft leise Cellomusik.
    »Iss, was du willst.« Mutter hilft mir aus dem Mantel. »Ich bin sicher, dass die Channings versucht haben, dir ihre abscheulichen Essgewohnheiten aufzuzwingen.«
    Henry sieht sie kopfschüttelnd an. »Ich werde nie verstehen, warum es für dich in Ordnung ist, Leute zu töten, aber keine Tiere.«
    »Tiere sind unschuldig, Henry. Das kann man von Leuten nicht unbedingt behaupten.«
    Er zuckt die Achseln, füllt drei Gläser mit funkelndem Rotwein und reicht mir eines davon. Ich habe noch nie Wein getrunken – aber ich bin auch noch nie mit meiner Mutter in einem Bauernhaus gewesen, um über Hexen zu reden. Der säuerliche Duft kribbelt mir in der Nase, während das bittersüße Aroma des Weins einen Schock für meine Geschmacksknospen darstellt. Ich zwinge mich, ihn hinunterzuschlucken, trinke dann aber sofort etwas aus einem großen Glas Wasser, das vor mir erschienen ist.
    Mutter lacht, und ihre blauen Augen funkeln im Kerzenschein. Ich bin überzeugt, dass die Leute ihr auch dann in Scharen nachlaufen würden, wenn sie keine Hexe wäre. Sie ist großartig.
    »Warum bin ich hier?«, frage ich.
    »Trotz ihres vorherigen Ungehorsams hat Annalise mir von dem berichtet, was heute Abend geschehen ist. Ich wollte dich selbst sehen und sichergehen, dass du unversehrt bist.«
    »Aber wie bin ich hergekommen? Ich bin ummantelt.«
    Mutter seufzt und nimmt einen winzigen Bissen von einem Gebäckstück. »Du bist nicht zufällig nach Summer Hill gelangt, Lark, und ich kann dich holen kommen, wann immer ich will.«
    Es verschlägt mir den Atem. »Du … lässt mich freiwillig hierbleiben? Aber

Weitere Kostenlose Bücher