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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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hochgerissen hast, hat das ausgesehen, als wolltest du einen Zauber wirken.«
    »Ich weiß nicht, wie man Magie wirkt.«
    »Du weißt vielleicht nicht wie, aber du wirkst sie. Das habe ich selbst gesehen.« Beck streckt den Arm aus und legt mir den Finger auf die Lippen, als ich Anstalten mache zu widersprechen. »Der Sturm! Den hast du verursacht, weißt du noch? Du hast keine Ahnung, was du tust – und genau das ist das Problem.«
    Meine Hände greifen nach seinem Haar, und ich schlinge mir die Locken um die Finger. Blut rauscht durch meinen Körper, aber nicht zornig, sondern eher wie warmer, tröstlicher Sonnenschein, der durch meine Adern pulst. Einfach nur hier bei Beck zu sein ist alles, was ich brauche, um mich wohlzufühlen.
    Beck grinst, da er meine Zufriedenheit spürt.
    Ich versetze ihm spielerisch eine Kopfnuss, experimentiere aber damit, ihm zur selben Zeit ein anderes Gefühl zu vermitteln – Glück. Sein Grinsen wird breiter.
    »Du bist glücklich. Oder zumindest glücklicher«, sagt er, offensichtlich zufrieden mit sich.
    »So glücklich, wie ich sein kann, wenn man bedenkt, dass ich eine Dunkelhexe bin und alle mich zu hassen scheinen.«
    Er zupft an einer losen Strähne meines Haars. Ich beuge mich vor, so dass meine Augen auf einer Höhe mit seinen vollen Lippen sind.
    »Ich könnte dich nie hassen, ganz gleich, was geschieht«, sagt er gerade so laut, dass ich es hören kann.
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Ich lehne mich wieder gegen den Baum, und Beck verschränkt die Arme hinter dem Kopf und schließt die Augen. So sitzen wir eine Weile da und lauschen der Welt ringsum: dem Wind, der durch die Zweige der Trauerweide streicht, einem Vogel, der hoch oben in der Baumkrone zwitschert, einer Kindergruppe, die irgendwo draußen auf der riesigen Wiese das Lied singt, das Eamon an meinem ersten Tag in Summer Hill gepfiffen hat. Ich erinnere mich, wie Miss Jensen, die Musiklehrerin, es uns hat singen lassen, als wir noch klein waren. Ich glaube, es heißt Alouette .
    Das Leben ist wie immer – oder auch nicht. Denn alles hat sich verändert. Ich bin nicht mehr Lark, die beliebte Nachfahrin einer Gründerin. Ich bin Lark, die böse Dunkelhexe, die jeder hier zu verabscheuen scheint. Außer Beck.
    Was bedeutet es überhaupt, Dunkel zu sein? Heißt das, dass ich irgendwann ein unheimliches Monster sein werde, das durch die Gegend streift und Böses tut? »Was machen wir jetzt?«
    »Wir lernen, deine Kräfte zu beherrschen. Angesichts des Sturms und deines Auftritts heute Morgen haben wir einige Arbeit vor uns.«
    Kräfte. Ich habe Kräfte. Ich schlage die Hände vors Gesicht und beginne zu zählen. Eins. Zwei. Drei. Vier.
    Ein Zupfen an der Hand durchbricht meine Konzentration.
    Fünf. Sechs. Sieben.
    Beck streichelt mir sanft die Hand und fährt mit den Fingern über meinen Handrücken. Wärme steigt in meinem Arm auf und breitet sich durch meinen Körper aus. Ich entspanne mich.
    Acht. Neun.
    »Du kannst nichts daran ändern, wer du bist, Lark.«
    Zehn. Ich hole tief Luft.
    »Was ist mit den Empfindsamen in der Schule passiert?«, frage ich. »Wie hast du …« Ich will nicht den Begriff »töten« verwenden; Beck tut keinem Menschen etwas zuleide. »Wie hast du sie davon abgehalten, uns anzugreifen?«
    Beck neigt den Kopf zur Seite und schließt die Augen. Sein muskulöser Oberkörper dehnt den dünnen Stoff seines T-Shirts, als er einatmet. »Das habe ich nicht getan. Das warst du.«
    Ich will das nicht hören. Ich sollte eigentlich in zwei Monaten Staatsfrau werden. Ich sollte ein angenehmes Leben führen – mit Beck.
    »Du hast die Hand ausgestreckt, und dann strahlte Licht von ihr aus.« Er hält inne. »Gleißendes weißes Licht. Du hast sie alle getötet.«
    Ich sacke wieder gegen den Baum, und die Welt um mich herum gerät ins Wanken. Ich habe sie getötet. Mir kommt ein bestürzender Gedanke: Wenn Beck mich nicht gerade eben aufgehalten hätte, als ich mit Eamon aneinandergeraten bin, was hätte ich dann diesen Hexen angetan?
    »Warum bin ich böse?« Meine Stimme zittert.
    »Du bist nicht böse.« Er versucht, meine Hand an sich zu ziehen, aber ich verkrampfe mich, und er hält inne. »Ich wäre nicht hier, wenn du es wärst.«
    »Aber irgendwann werde ich es sein, nicht wahr?« Ich habe Leute getötet, viele Leute, und er glaubt nicht, dass das böse ist? Eine unbehagliche Hitze durchströmt meinen Körper und verbrennt mich von innen. Mein Herzschlag pocht mir laut in den

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