Eistochter
lachen, aber ich komme nicht dagegen an. Das Geräusch strömt aus mir hervor und hallt auf dem Flur wider.
21
Die Morgensonne streicht über meine Augen hinweg. Wie eine Katze strecke ich mich und wälze mich an die wärmste Stelle. Ich bleibe ein paar Minuten lang so liegen, bevor ich die Daunendecke mit einem Tritt beiseite befördere.
War es die richtige Entscheidung, nach Summer Hill zu kommen? Diese Leute – Hexen – fürchten mich.
Und ich vertraue ihnen auch nicht völlig.
Aber was für eine Wahl habe ich denn? Die Schule kommt nicht infrage, denn dann lande ich doch nur bei Mutter.
Also sitze ich hier fest, in einem Haus voller Lichthexen, die mich nicht zu mögen scheinen, mich aber um ihrer eigenen Sicherheit willen hier haben wollen – und um Beck zu schützen.
Ich habe nichts. Mein Partner ist tabu, und meine Freunde sind angeblich meine Feinde. Stehen die Dunkelhexen nun auf meiner Seite oder nicht? Annalise war ja nicht gerade freundlich.
Und wer weiß, was für eine Rolle Bethina bei alledem spielt?
Ich sehe hinüber zu der Stelle, an der Becks Bett stehen sollte. Wenn wir noch in der Schule wären, würde ich Beck jetzt piesacken, bis er aufwacht. Dann würde ich mich in seine Arme kuscheln und von seinem stetigen Herzschlag die schlechten Neuigkeiten der letzten Tage übertönen lassen.
Er muss irgendwo in der Nähe schlafen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Channings ihn zwingen, in einem der Nebengebäude zu schlafen, nur um uns voneinander fernzuhalten. Wenn er also im Haus ist, könnte ich den Flur entlanggehen und sein Zimmer suchen.
Nur dass ich ihm damit vielleicht schaden würde.
Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Mrs. Channing steckt den Kopf ins Zimmer. »Guten Morgen, Lark«, sagt sie geschmeidig ohne jede Andeutung ihrer gestrigen Angst. »Hast du gut geschlafen?«
Ich schlucke eine sarkastische Antwort hinunter. »Ja. Danke.«
»Wunderbar. Glaubst du, dass du binnen fünfzehn Minuten beim Frühstück sein kannst? Dein Unterricht beginnt um neun – wir müssen sichergehen, dass du einen guten ersten Eindruck hinterlässt.«
Mein Kopf nickt zustimmend zu ihren Worten. »Klar. Wohin soll ich kommen?«
»Das Frühstück wird heute auf dem Rasen serviert.« Sie bedenkt mich mit einem angespannten Lächeln. »Ich warte.«
Also wird es wohl folgendermaßen laufen: Sie geben alle vor, dass sie ganz begeistert wären, mich hier zu haben, während ich so tue, als ob sie nicht in meinen freien Willen eingegriffen hätten. Kompromisse.
Ich ziehe mich schnell an, da ich es eilig habe, aus der Einzelhaft entlassen zu werden, und breche Richtung Rasen auf.
Das helle frühmorgendliche Sonnenlicht blendet mich einen Moment lang, und ich kneife die Augen zusammen. Erst spazieren nur ein paar einsame Seelen umher, aber binnen Sekunden drängt sich auf dem Rasen eine große Menschenmenge. Wie bei meinem Empfang scheinen diese Leute aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Die Sonne wird von ihren leuchtend bunten, schimmernden Tuniken reflektiert, so dass ein Regenbogen aus Grün, Gelb, Blau, Rot und Orange entsteht – den Erkennungsfarben der fünf Gesellschaften.
Das hier ist keine kleine regionale Versammlung. Die Channings haben Zauberer aus der ganzen Welt hergerufen, und das heißt, dass diese Hexensache etwas Größeres ist, als mir bewusst war.
Die lachenden, singenden und flüsternden Stimmen verschmelzen miteinander und bilden ein leises Summen, aber sogar darüber hinweg kann ich das Flattern von Vogelflügeln, das Zirpen von Grillen und das Rascheln des Grases hören. Alles wirkt verstärkt – lebendiger. Vielleicht hat meine ungezügelte Magie mich bis jetzt daran gehindert, wahre Schönheit zu erkennen?
Ich gehe auf die Frühstücksschlange zu, und alles kommt zum Erliegen.
Totenstille.
Jedes einzelne Augenpaar richtet sich starr auf mich, und ich weiche Richtung Küchentür zurück. Niemand muss mir sagen, dass ich hier nicht willkommen bin.
»Lark?«, ruft Mrs. Channing fröhlich vom Büfett. »Kommst du?«
Ihre Stimme durchbricht die Trance der anderen Hexen, und sie wenden sich wieder ihren Beschäftigungen zu. Vielleicht ist das hier keine gute Idee, und ich sollte im Haus bleiben. Wenigstens kann mich da niemand misstrauisch mustern.
Mrs. Channing winkt. »Jetzt oder nie, Lark.«
So unbehaglich ich mich auch fühle, Hunger habe ich doch, und sie hat Erdbeeren – die mag ich schließlich am liebsten.
Als ich mich in Bewegung
Weitere Kostenlose Bücher