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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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vierundzwanzig Stunden hat einen Dokumenten-Output in arabischer Schrift hervorgebracht, den wir Ihnen gerne zeigen würden.«
    Schwinn stutzte. Obwohl er schon seit vier Jahren in Heimenschwand Dienst tat, hatte man ihn noch nie nach Zimmerwald beordert. Waren es wirklich seine Arabischkenntnisse? Dafür hatte der Nachrichtendienst doch Spezialisten. Irgendetwas stimmte nicht.
    »Es sind drei unabhängige Schreiben … das vermuten wir jedenfalls.« Heidegger schob Schwinn eine feldgraue Mappe zu. »Hardcopy und Data-Tape. Sie finden alles in den Unterlagen.«
    »Verschlüsselt?«, fragte Schwinn trocken.
    »Ja.«
    »Eine 128 -Bit-Verschlüsselung, nehme ich an.«
    »Ich will offen zu Ihnen sein«, sagte der Oberst und lächelte. »Seit den Siebzigerjahren versorgen wir die arabischen Staaten mit unseren Kryptogeräten. Und im Rahmen eines Service-Abkommens warten wir die Geräte regelmäßig … also unsere Kryptoanalysten hatten nicht wirklich viel zu tun.«
    Rhym räusperte sich.
    Schwinn hob die Augenbrauen. »Ach so«, murmelte er. Es war nichts Neues, kein Geheimnis, das er soeben erfahren hatte. Die Schweizer Cobra AG mit Sitz in Zug belieferte nebst zwölf arabischen Staaten noch über hundert weitere Länder mit Kryptogeräten. Ironischerweise auch die amerikanische NSA. Es sah so aus, als ob die Militärs mit offenen Karten spielten und ihn, den Außenseiter, mit Respekt behandelten.
    »Wenn’s recht ist, mach ich mich mal an die Arbeit.«
    Die beiden Männer nickten.
    Schwinn stand auf, nahm die Mappe und ging zu einem der Arbeitsplätze. Seine Auftraggeber beobachteten ihn mit höflichem Interesse. Während das Übersetzungsprogramm startete, sah er sich die Kopien an. Zuoberst lag ein Bericht des ägyptischen Außenministeriums über CIA-Gefängnisse in Osteuropa. Das zweite Dokument stammte vom iranischen Geheimdienst VEVAK. Es enthielt detaillierte Angaben über amerikanische Befragungen, und der dritte Wisch war ein Sportbericht des Satellitensenders El Dschasira.
    Ein Handy klingelte. Rhym griff in seine Jackentasche, entschuldigte sich und verließ den Raum.
    Schwinn lud die Dokumente und ging sie Absatz für Absatz durch. Plötzlich blieben seine Augen an dem Namen eines Mannes, den er nur allzu gut kannte, hängen. Schwinn erschrak. Einen Moment hielt er inne. Jetzt sich nur nichts anmerken lassen, dachte er und las weiter. Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass ihn der Divisionär genau beobachtete. Spätestens wenn das Dokument ins Deutsche übersetzt war, würde auch Heidegger wissen, wer der Mann war, von dem es hieß, dass er für die CIA und deren Verhörmethoden psychotrope Substanzen entwickelt habe.
    »Sind Sie sicher, dass es sich hier um das Originaldokument handelt?« Schwinn bemühte sich, die Frage möglichst beiläufig zu stellen. Ihm wurde plötzlich die Tragweite der Sache bewusst.
    »Nein, das ist eine Kopie. Wieso, stimmt was nicht?« Heidegger runzelte die Stirn.
    Schwinn überlegte krampfhaft, was er tun sollte. Vielleicht war die Information falsch und die Dokumente waren getürkt. Allenfalls konnte er den Namen durch einen anderen ersetzen, um Zeit zu gewinnen. Aber mit Heidegger im Rücken ging das schlecht.
    »Ich brauch das Original«, sagte Schwinn bestimmt. »Es geht hier um die Bezeichnung eines CIA-Stützpunktes bei Constanza am Schwarzen Meer«, log er. »Ich möchte einfach sichergehen. Bei Eigennamen ist das so eine Sache. Macht das System aus zwei Punkten einen Strich – und das kann schon mal vorkommen –, dann bedeutet es gleich etwas ganz anderes. Sie wissen schon, die arabische Sprache …«
    »Ist schon gut«, sagte der Divisionär. »Sie sind der Spezialist.«
    Schwinn hoffte, dass sich Heidegger selbst um die Sache kümmern und für eine Weile verschwinden würde. Stattdessen rief Heidegger einen der Offiziere herbei und bat ihn, den Datenträger mit dem Original zu beschaffen.
    Kaum war Schwinn mit dem Divisionär wieder allein, kam Rhym zurück. »Um was geht es denn?«, fragte er. Beide schauten interessiert über Schwinns Schulter.
    Schwinn gab eine kurze Einführung in die Morphologie der arabischen Schriftsprache. »Eine Besonderheit des Arabischen besteht in der Existenz von Ligaturen.« Er deutete mit einem Stift auf den Bildschirm. »Sie verbinden verschiedene Buchstaben zu einer Drucktype.« Während er redete, zerbrach sich Schwinn den Kopf, was er machen sollte. »Diese Schnörkel nennt man Diakritika – sie werden dann eingesetzt,

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