Eiszeit
drückte die Infusionsflasche einem Sanitäter in die Hand und ging mit den beiden Polizisten ein paar Schritte zur Seite.
»Wie sieht es aus«, wollte Lenz von dem Mediziner wissen.
»Das war kurz vor knapp. Mit ein bisschen Glück werden die beiden keine bleibenden Schäden davontragen, aber genau kann man das erst in ein paar Tagen sagen. Speziell die jüngere Frau ist völlig dehydriert und in einem ziemlich schlechten Zustand.«
»Und sie?«, fragte Hain mit einem Blick zu Molina Mälzer.
»Sie hat ein paar Zähne verloren, aber vermutlich mehr getrunken, bevor sie in der Kiste in das Auto gesperrt wurde. Im Moment überwiegt bei ihr die Sorge um ihr Aussehen und nicht die Tatsache, dass sie vermutlich keine drei Stunden länger in der Kiste überlebt hätte.«
»Woran wäre sie denn gestorben?«, fragte Hain irritiert.
Der Arzt deutete auf den Lieferwagen, der mit offenen Hecktüren dastand. Im Innern erkannte man die Überreste der zwei aufgebrochenen Holzkisten.
»Im Laderaum herrschten vermutlich über 80 Grad. Die Sonne steht jetzt noch fast direkt über uns und strahlt ungefiltert auf die schwarze Dachfläche. Dazu waren die Frauen in extrem enge Kisten gesperrt, in denen keine Luftzirkulation möglich war. Sie wären praktisch in ihrem eigenen Saft gekocht worden, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die jüngere war schon ohne Bewusstsein, als die Kiste geöffnet wurde, bei ihr hätte es sicher nicht mehr allzu lange gedauert.«
»Wo ist sie?«
»Schon auf dem Weg ins Klinikum. Bei ihr wollte ich keine Zeit verlieren.«
»Können wir mit Frau Mälzer sprechen?«
»Wenn sie mit Ihnen sprechen will, klar. Ich habe nichts dagegen.«
Hain blieb auf der Hälfte des Weges stehen.
»Mach du mal«, gab er seinem Kollegen mit. Lenz trat neben die Trage und räusperte sich.
»Tag, Frau Mälzer.«
Die Frau des Baulöwen sah zu dem Sanitäter, der noch immer mit der Infusionslösung in der Hand neben ihr stand, und danach zu Lenz.
»Ich mach das schon«, erklärte der Polizist dem jungen Mann und griff nach der Flasche.
»Guten Tag, Herr Kommissar«, antwortete sie nuschelnd, drehte ihr Gesicht zur Seite und fing an zu weinen. Irgendwie hatte ihre Attitüde etwas von einer griechischen Tragödie.
»Ich habe eine schlimme Nachricht für Sie, Frau Mälzer.«
Sie blinzelte ihn an, ohne die Hände von der unteren Hälfte ihres Gesichtes zu nehmen. Ihr Blick hatte etwas von ›Was kann schlimmer sein als ich ohne Schneidezähne?‹.
»Ihr Mann ist tot.«
Sie reagierte nicht. Zuerst dachte der Kommissar, sie hätte ihn nicht verstanden, doch dann bemerkte er eine Veränderung an ihr. Sie hörte auf zu weinen und holte tief Luft.
»Es wird Sie sicher erstaunen, Herr Lenz, aber mein Mann und ich hatten uns in der letzten Zeit nicht mehr viel zu sagen. Wir waren uns einig, dass wir uns scheiden lassen«, nuschelte sie durch die Hände.
»Und das wussten Sie schon länger?«
Sie nickte. »Mein Mann hat Dinge gemacht, die ich nie und nimmer gutheißen könnte. Davon habe ich leider erst heute Morgen erfahren, sonst hätte ich Sie natürlich darüber informiert.«
Lenz musste trotz des kläglichen Zustandes der total durchgeschwitzten Frau ein Lächeln unterdrücken.
»Davon bin ich überzeugt, Frau Mälzer. Natürlich wissen Sie auch nichts davon, dass Ihre Mitarbeiterin Franziska Faust und ihr Freund Sie erpresst haben?«
Sie machte ein erstauntes Gesicht.
»Erpresst? Nein. Wer soll uns erpresst haben?«
»Lars Gruber, der Freund Ihrer Mitarbeiterin, hat gestanden, Sie und Ihren Mann erpresst zu haben. Die beiden waren im Besitz von Unterlagen, die Sie schwer belasten, an Subventionsbetrug, Steuerhinterziehung und weiteren Straftaten beteiligt zu sein.«
Wieder öffneten sich bei Molina Mälzer die Tränenschleusen.
»Das ist mir jetzt außerordentlich peinlich, Herr Kommissar, dass mein Mann diese Dinge gemacht hat. Aber wie gesagt, er hat es mir erst heute Morgen gestanden.« Sie warf einen zornigen Blick zu dem Lieferwagen. »Und danach wurde ich geschlagen und entführt, was wohl ein eindeutiger Beweis dafür sein dürfte, dass ich von den Machenschaften meines Mannes nichts wusste. Ich hätte nie gebilligt, dass er sich mit diesen Gangstern einlässt. Niemals.«
»Das werden die Gerichte klären, Frau Mälzer. Aber Sie bleiben dabei, dass es keine Erpressung gab?«
»Ich schwöre es, davon hätte ich gewusst. Niemand hat uns oder meinen Mann erpresst, das müssen Sie mir
Weitere Kostenlose Bücher