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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Stille. »Ach Sie sinds .« Offenbar hatte Winterschied durch den Spion geschaut. Er öffnete die Tür und bot den Polizisten einen skurrilen Anblick. Seine Füße steckten in alten, abgewetzten Cowboystiefeln mit schiefen Absätzen. Darüber trug er eine bunte Unterhose und eine sehr dunkle Sonnenbrille, sonst nichts.
    »Ich hab heute etwas länger geschlafen«, erklärte er den Beamten ohne jegliche Verlegenheit. »Was gibts denn?«
    »Können wir kurz reinkommen?«, fragte Hain und stand auch schon mitten in der kleinen Wohnung.
    »Eigentlich nicht«, antwortete der Zeitungsverkäufer und betrachtete seine Beine. »Ich bin noch nicht so richtig vorzeigbar.«
    Lenz schob ihn ins Innere und warf die Tür ins Schloss. »Wir hatten gerade ein sehr informatives Gespräch mit einem Freund von Ihnen, Herr Winterschied . Und der hat uns erzählt, dass er Ihnen etwas für uns gegeben hat.«
    Winterschied kratzte sich dort, wo Männer in Unterhose sich gerne kratzen, und machte ein dummes Gesicht.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen, Herr Kommissar. Mit wem hatten Sie ein Gespräch?«
    »Mit Herrn Sjomin . Waldemar Sjomin . Der Name sagt Ihnen doch noch was, oder?«
    »Ja, klar, Waldemar. Schon lange nicht mehr gesehen.«
    »Wann zuletzt?«
    »Das wissen Sie doch. Und überhaupt, haben Sie einen Durchsuchungsbefehl? Was Sie hier machen, ist illegal. Ich kenne meine Rechte.«
    Wenn Lenz noch einen Beweis gebraucht hätte, dass Sjomin die Wahrheit gesagt hatte, dann hatte er ihn jetzt.
    »Wo sind die Papiere, die Sjomin Ihnen gegeben hat?«, herrschte er Winterschied an.
    »Was denn für Papiere? Irgendwie ist da bei dem guten Waldemar was schiefgelaufen , Herr Kommissar. Ich hab keine Papiere von ihm gekriegt.«
    »Fang an, Thilo«, raunzte Lenz seinem Kollegen zu.
    »Willst du ihm nicht noch eine Chance geben, bevor hier alles zu Bruch geht?«, fragte Hain zurück, legte dabei eine Hand an ein offenes Regal und rüttelte ein wenig daran. »Wo er doch bisher immer so kooperativ gewesen ist, der Herr Winterschied .«
    »Warten Sie, warten Sie. Das dürfen Sie nicht. Oder Sie müssen mir einen Durchsuchungsbefehl vorlegen. Wenn Sie den nicht haben, will ich sofort meinen Anwalt …«
    »Hör zu, du Clown«, wurde er von Hain unterbrochen, der das Regal nun in eine bedenklich instabile Position hievte. »Das Ding, von dem du redest, gibt es gar nicht. Was du meinst, ist ein Durchsuchungsbeschluss. Den haben wir tatsächlich nicht. Was wir aber haben, ist Gefahr in Verzug, falls du schon mal davon gehört hast. Das gibt uns das Recht, ohne richterlichen Beschluss in deine Wohnung einzudringen und sie zu durchsuchen, wenn wir der Meinung sind, dass es unseren Ermittlungserfolg gefährden oder gar vereiteln würde, wenn wir es nicht täten. Alles klar?«
    Natürlich wussten sowohl Hain als auch Lenz, dass sie sich auf juristisch superdünnem Eis bewegten, doch der schlagartig einsetzende Erfolg gab ihnen recht.
    »Das wusste ich gar nicht, dass es so was gibt. Sie dürfen also doch einfach so in meine …«
    Wieder wurde er von Hain schroff gestoppt.
    »Wolltest du uns nicht sagen, wo diese verdammten Papiere sind? Oder soll ich wirklich zuerst hinter diesem Regal suchen?« Er rüttelte energisch an dem alten, blassen Möbelstück in seiner Hand.
    Winterschied hob die Arme und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
    »Ach, jetzt weiß ich auch, wovon Sie sprechen. Ja, der Waldemar hat mir da was dagelassen, aber ich hab nicht mal nachgesehen, was drin ist.« Er ging mit schnellen Schritten zur Couch, hob ein Polster hoch und zeigte den Beamten den Umschlag.
    »Meinen Sie das hier?«, fragte er scheinheilig.
    Hain ließ das Möbelstück nach hinten fallen, griff sich die Unterlagen und bedachte den Zeitungsverkäufer mit einem ultrabösen Blick der Marke ›Am liebsten würde ich dir eine runterhauen, du Arsch‹.
    »Ist das alles, was Waldemar Ihnen gegeben hat?«, wollte Lenz wissen.
    »Ja, klar. Ich sag doch. Ich weiß nicht mal, was da drin ist.«
    »Dann nehmen wir dich am besten gleich mit, wegen der Fingerabdrücke und so.«
    »Lass gut sein, Thilo«, bremste Lenz den Elan seines Kollegen. »Und Ihnen vielen Dank, Herr Winterschied , dass Sie so kooperativ gewesen sind. Sollten wir noch Fragen haben, kommen wir wieder vorbei. Auf Wiedersehen.«
    »Wiedersehen«, murmelte der Zeitungsverkäufer zähneknirschend.

     
    *

     
    Im Flur knipste Lenz das matte Licht an, zog die Papiere aus dem Umschlag und wollte

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