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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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nichts verloren hatte. Doch sein Anstand endete bei Bellinis
Cantuccini.
    »Nur, dass sie nicht pünktlich von der Schule nach Hause gekommen
ist. Vielen Dank übrigens, dass Sie mir so großzügig von Bellinis Plätzchen
anbieten.«
    Widerwillig schob Marzoli die Etagere ein Stück in Richtung
Tischmitte, behielt sie aber sicherheitshalber auf seiner Seite. Er erzählte,
was sich gestern zugetragen hatte und auch, dass Elisa den Täter erkannt hatte.
Mauracher schien wenig überzeugt.
    »Das soll tatsächlich dieser Oberrautner gewesen sein?«
    »Wer denn sonst?«
    »Ich kann mir das bei dem einfach nicht vorstellen. Übrigens habe
ich interessante Neuigkeiten, aber damit sollten wir warten, bis der
Commissario da ist. Wo bleibt er denn? Es ist bald elf.«
    »Keine Ahnung. Nachdem wir gestern telefoniert haben, wollte er
sofort ins Bett, um heute ausgeruht zu sein. Ich rufe ihn an.«
    In diesem Moment betrat Vincenzo mit ernster Miene sein Büro.
    »Was ist denn mit Ihnen los, Commissario? Sie sehen aus, als wäre
Ihnen ein Gespenst begegnet.«
    Vincenzo setzte sich, sah von Mauracher zu Marzoli. »In gewisser
Weise ist das auch so, Ispettore. Ich habe Neuigkeiten, gute und schlechte.
Bevor ich euch eine lange Geschichte erzähle, möchte ich wissen, was ihr zu
berichten habt.«
    Der Commissario richtete sich kerzengerade in seinem Freischwinger
auf, während Mauracher von ihrer nächtlichen Observierung erzählte. Er merkte
ihr an, dass sie mit jedem Wort unsicherer wurde, ob sie richtig gehandelt
hatte. »Sabine, Sie dürfen so etwas nicht eigenmächtig unternehmen, verstanden?
Und schon gar nicht, ohne jemanden zu informieren. Gewöhnen Sie sich solche
Alleingänge schleunigst wieder ab, das bringt Sie sonst in Teufels Küche. Sie
hätten das mit mir absprechen müssen. Ich glaube nicht, dass ich es Ihnen
untersagt hätte, denn ich möchte Gewissheit. Aber jetzt erzähle ich euch, was seit
gestern Abend passiert ist. Danach kümmern wir uns um den Halter des BMW .«
    Nach Vincenzos Schelte sank die kleine Sabine Mauracher so tief auf
ihrem Stuhl zusammen, dass ihr Kopf sich gerade noch auf Höhe der Lehne befand.
Sie wusste, dass sie ihre Kompetenzen überschritten hatte, aber auch, warum.
    ***
    Marmolata, 11.15 Uhr
    Vincenzos Anruf hatte ihn erreicht, kurz, nachdem er auf
den Dolomiten-Höhenweg 2 getroffen war. Er hatte sich hingesetzt und zugehört.
Das war die Erklärung. Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht, aber er war nicht
von selbst auf die Lösung gekommen. Jetzt wusste er, wo er Gianna suchen
musste. Er hatte keine Zweifel, dass er sie dort finden würde. Ein geniales
Versteck. Kein Wunder, dass dieser Oberrautner sich seiner Sache so sicher war.
    Valentin war sofort umgekehrt, nun stieg er im Joggingtempo auf.
Mühelos erreichte er die Marmolatascharte, von der aus er einen weiten Blick
auf den Gletscher hatte. Wie oft war er schon hier oben gewesen. Er wusste
alles über den Gletscher, seine Geschichte, die Mythen, die sich um ihn
rankten. Er scannte das Eis mit seinen Augen, glich, was er sah, mit seiner
Erinnerung ab. Es gab zwei markante Punkte, an denen er einsteigen konnte, um
zu den alten Festungsanlagen zu gelangen oder besser: zu dem, was von ihnen
übrig war. Er entschied sich, im oberen Teil des Gletschers zu beginnen, dort
waren die Anlagen am besten erhalten. Es gab noch halb zerfallene Kavernen und
Stollen.
    Als er das Eisfeld fast erreicht hatte, bemerkte er jemanden auf dem
Gletscher. Wer war das? Er hatte angesichts des unsicheren Wetters und der
schlechten Wegverhältnisse nicht mit anderen Bergsteigern gerechnet. Er hockte
sich hinter einen Fels, nahm das Fernglas aus dem Rucksack, suchte den
Gletscher ab. Nicht weit entfernt von der Einstiegsstelle entdeckte er ihn,
eine einzelne Person auf Skiern. Komm, dreh dich um, damit
ich dein Gesicht sehen kann.
    Die Gestalt bewegte sich gleichmäßig über das Eis. Endlich blickte
sie sich um, und Valentin konnte das Gesicht sehen. Ein Mann, braungebrannt.
Glück gehabt, es war nicht Oberrautner, aber jemand, dem er ein paar Fragen
stellen konnte. Er steckte das Fernglas ein und ging zügig weiter.
    Unterwegs betrachtete er das Wolkenbild. Er hatte recht behalten,
die Sonne kam immer häufiger durch, der Wind flaute ab. Endlich hatte er Glück.
Solange ihm dieser Oberrautner nicht begegnete, konnte er mühelos in die Spalte
hinabsteigen und Gianna holen. Auch wenn sie keine hochalpine Erfahrung hatte
und geschwächt war, würde er sie

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