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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Auftrag zu dem leider vorletzten Spielzug
gebe, verkünde ich wie üblich den Zwischenstand:
    Vincenzo Bellini: sieben Punkte, eine Strafe
    Spielführer: vier Punkte
    Du liegst dank meiner Generosität weiter in
Führung, wenngleich denkbar knapp. Der bereits heute von dir auszuführende
Spielzug (mehr Zeit kann ich dir wetterbedingt nicht lassen) erfordert eine
Menge von dir und deinen Jokern. Deshalb, aber auch als Vorbereitung auf das
Finale, werden für diesen Zug gigantische fünfzehn Punkte vergeben. Entgegen
der ursprünglichen Regeln muss ich dich im Falle eines Scheiterns allerdings mit zwei Strafen belegen, weil ich dir aufgrund des Zeitdrucks mehrere Spielzüge erlassen muss.
Mach deine Sache ordentlich, dann kommen wir gar nicht erst in diese prekäre
Lage.
    Du nimmst dir deinen dicken Marzoli, deine
dürre Polizistin«
    Vincenzo bedachte seine Kollegen mit einem entschuldigenden
Achselzucken, eher er weiterlas,
    »und ein paar Kollegen aus der Bereitschaft.
Ihr stürmt heute um sechzehn Uhr das Restaurant ›Blaues Schiff‹, wobei du
den Verdacht auf organisiertes Verbrechen äußern wirst, dann nehmt ihr die
Leute mit aufs Revier. Inhaber, Angestellte, Gäste, einfach alle Anwesenden.
Ihr verteilt die Gefangenen in euren Zellen (euer Knast wird sicherlich nicht
allzu voll sein), wo ihr sie schmoren lasst, bis das Spiel vorbei ist. Ich
weiß, dass das unmöglich ist. Darin liegt der Reiz, mein Freund. Schaffst du
es, ziehst du von dannen. Wer weiß, vielleicht reicht dein Vorsprung dann sogar
für ein Versagen beim letzten Zug. Sollte es dir nicht gelingen, kriege ich
fünfzehn Punkte, du zwei Strafen. Du findest das überzogen? Schade, denn das
ist nichts im Vergleich zu deiner morgigen Aufgabe.
    Ich werde euch beobachten. Keine Tricks,
auch wenn ich es allmählich leid bin, jedes Mal aufs Neue darauf hinweisen zu
müssen. Viel Spaß, Vincenzo, du wirst dich super fühlen, wenn du es packst. Ich
melde mich spätestens morgen. Auf geht’s, Sportsfreund!
    Dein Freund, Bewunderer, Fan«
    Vincenzo legte das Schreiben vor sich auf den Tisch. Marzoli und
Mauracher sahen ihn entsetzt an, doch der Commissario brach das Schweigen. »Wir
haben viereinhalb Stunden Zeit, nutzen wir sie. Zunächst ermitteln wir den
Halter des BMW und statten ihm einen Besuch ab.
Beten wir derweil, dass sich Hans bald meldet.«
    Nachdenklich schob sich Mauracher einen Cantuccino in den Mund.
»Mein Opa hat mir auch mal von dieser Stadt im Gletscher erzählt, er hat mir
sogar ein paar Skizzen gezeigt. Die liegen, glaube ich, sogar bei mir im
Keller. Richtige Zimmer hatten die, Lager, Depots, ein Offizierscasino, alles,
was man sich vorstellen kann. Coole Sache, echt. Habe ich ihm nur nie so recht
geglaubt, weil er immer so merkwürdige Storys erzählt hat. Und ich konnte mir
sowieso nicht vorstellen, dass so ein megaabgefahrenes Projekt möglich ist.
Aber jetzt sehen wir ja, dass es das wirklich gegeben hat. Wahnsinn. Aber ich
glaube jetzt noch viel weniger, dass dieser Junkie Oberrautner zu dieser Nummer
fähig ist. Was soll’s, Fakten heißt die Devise.«
    Zwanzig Minuten später hatten sie den Halter des BMW ermittelt. Das Ergebnis verblüffte sie: Es handelte
sich um Francesco Dazi, vierundsechzig, Fabrikant aus Mailand und nicht nur
Multimillionär, sondern auch ein höchst angesehenes Mitglied der Bozener Gesellschaft,
Förderer der Kunst, bekannt für seine Empfänge, Liebhaber schneller Autos. Was
hatte ein vermögender Unternehmer mitten in der Nacht in der alten,
heruntergekommenen Psychiatrie verloren?
    Sie fuhren sofort los nach San Genesio. In dem ruhig gelegen Ort am
Hochplateau des Salten wohnte Dazi mit seiner zehn Jahre jüngeren Frau Sofia,
einer schillernden Erscheinung der High Society, die keine Party ausließ und
häufig die Seiten der Klatschillustrierten schmückte.
    ***
    Im Gletscher, 11.25 Uhr
    Sie hatte sich inzwischen an die Kälte gewöhnt. Auch das
eigenartige Konzert der Geräusche von Eis und Wasser machte ihr keine Angst
mehr, in gewisser Weise fühlte sie sich sogar geschützt. Außer ihm würde
niemand den Weg in diese Eiswelt finden. Und er würde ihr nichts antun, daran
hatte sie inzwischen keinen Zweifel mehr. Die Welt da draußen, das hektische
Mailand, die Kanzlei, Klienten, die sich selbst für den Nabel der Welt hielten,
sogar Vincenzo wurden ihr auf eine merkwürdige Weise fremd. Das Einzige, dem sie
geradezu entgegenfieberte, war sein Auftauchen aus den Tiefen des Eises. Die
Zeit

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