El Silbador
es eigenartig, daß es offensichtlich die einzige Sorge der Spanier und auch des Grafen Eberstein gewesen war, unter Deck irgendwo ein geschütztes Fleckchen zum Schlafen zu finden.
Des Nachts, als sein Boot zur »Quebec« gestoßen war, als man sich dank seines Mutes vor einem Angriff der »Trueno« nicht mehr zu fürchten brauchte, war Graf Eberstein als erster unsichtbar geworden, und schließlich sah man auf Deck nur noch den alten Kapitän Porquez, der jedoch auch bald verschwand, weil er sah, daß er mit den Landsoldaten nichts anfangen konnte. Sie verstanden nicht einmal die gebräuchlichsten Schiffsbefehle und seemännischen Ausdrücke in ihrer Muttersprache, wieviel weniger die Kommandorufe des Spaniers. Capitan Porquez hatte nur den Kopf geschüttelt und war dann ebenfalls unter Deck gegangen.
Michel stieg die Stufen zu den Kabinen hinab. Unten stieß er mit dem Fuß gegen etwas Weiches. Als seine Augen sich an das Zwielicht gewöhnt hatten, blickte er in das fahle Gesicht eines toten Engländers, den man am Vortag nicht fortgeschafft hatte. Die rote Jacke machte ihn als britischen Untertan kenntlich.
Michel trat über ihn hinweg und schritt weiter, bis er zu jener Tür gelangte, hinter der er die Kapitänskajüte vermutete.
Er öffnete und trat ein. Sein Blick wurde finster.
Auf dem großen Bett lagen Graf Eberstein und Alfonso Jardin in tiefem Schlaf. Davor, auf einer Fellmatte, hatte der Kapitän Lager bezogen. Ojo und Deste lagen bewegungslos über den Tisch hingestreckt. Der Fußboden war von Weinlachen bedeckt. Es roch wie in einer Kneipe am Morgen, wenn der letzte Gast gegangen war und der Wirt noch nicht gelüftet hatte. Michel konnte eine solche Verantwortungslosigkeit nicht begreifen. Denn von den Männern, die hier lagen, hing das Schicksal des ganzen Schiffes ab. Gewiß, auch er hatte sich niedergelegt, aber nur, um im Schlaf neue Kräfte zu sammeln. Aber diese Caballeros ...? Sie hatten ja nicht einmal etwas zu ihrer eigenen Befreiung getan, sondern auch diese ihm, dem Silbador, praktisch überlassen.
»Hola«, schrie er sie an, »wollt ihr so lange schlafen, bis euch die Haie aufgefressen haben, Senores? He, wacht doch auf, ihr Weinschläuche!«
Er packte Diaz Ojo, der ihm am nächsten war, bei den Haaren und zog ihn zu sich empor. Aber Ojo lallte nur unverständliches Zeug und schlief in der für wache Menschen sicherlich recht schmerzhaften Hängestellung weiter. »Deste! Deste! Was ist mit dir?«
Es war das gleiche. Nicht besser erging es ihm mit Eberstein und Jardin. Sich an dem weißhaarigen Kapitän zu vergreifen, erschien ihm ungebührlich. So wandte er sich ab, verließ die Kajüte, verschloß die Tür, damit nicht zufällig ein vorüberkommender Soldat die Szene bemerkte, und eilte zurück an Deck.In der Nähe des zerbrochenen Klüverbaums fand er einen Holzkübel, den er an einer Kette zu Wasser ließ. Mit vollem Eimer begab er sich wieder unter Deck. Er hatte inzwischen seine gute Laune wiedergefunden.
Das Bild, das Jardin und Eberstein boten, schien ihm am verlockendsten. Ein kräftiger Schwung mit dem Eimer — Schwapp!
Langsam kamen die beiden Trunkenen zu sich.
Noch einmal — Schwapp!
Eberstein fuhr plötzlich wie von einer Tarantel gestochen in die Höhe. Er richtete seine stieren Augen auf Michel. Wie durch einen dunklen Schleier schien er ihn wiederzuerkennen. »Ist er wahnsinnig, Musketier Baum? Ich werde ihn zur Meldung bringen. Diesmal wird er einer strengen Bestrafung nicht entgehen.«
Michel zog die Augen zu einem Schlitz zusammen. War denn der Kerl verrückt?
Er erinnerte sich plötzlich eines alten lateinischen Spruches: ,In vino veritas — Im Wein liegt Wahrheit. So also stand es um die geheimsten Gedanken des leichtsinnigen Grafen!
Michel besann sich nicht lange. Wiederum schwenkte er den Eimer und goß Eberstein den Rest Wasser mitten ins Gesicht.
Da kam dieser vollkommen zu sich.
»Vielleicht nehmt Ihr jetzt Eure fünf Sinne zusammen, Eberstein!« schrie ihn Michel an. »Mittlerweile solltet Ihr eigentlich schon gemerkt haben, daß sich Euer Musketier Baum, den Ihr ja geradezu innig zu lieben scheint, ein wenig gewandelt hat.«
Eberstein blinzelte mit den Augen. Es dauerte eine Weile, bis er den Sinn dieser Worte richtig erfaßte.
Dann lief er rot an und versuchte, sich eine würdige Haltung zu geben.
»Ich verbiete Euch, in einem solchen Ton mit mir zu sprechen, verstanden?« brüllte er nun seinerseits den Silbador an. Der trat dicht an ihn
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