El Silbador
heran.
»Graf«, sagte er eisig, »ich will Euern Dank nicht für die Rettung; aber ich bitte mir Respekt aus, menschlichen Respekt, meine ich, nicht etwa soldatischen. Ihr habt...« Eberstein fiel ihm ins Wort.
»Dank?« rief er mit höhnischem Lachen, »Ihr wollt meinen Dank nicht? Nun, ich habe gar nicht die Absicht gehabt, Euch dankbar zu sein, Ihr unverschämter Deserteur!« Michels Gesicht verzog sich spöttisch. »Ich glaube, wir unterhalten uns später, wenn Ihr völlig nüchtern seid. Ihr habt Euch so maßlos betrunken, daß mich schon Euer Atem anekelt. Geht mir aus dem Wege.«
Eberstein stand so, daß Michel nicht an das Bett konnte, auf dessen Rand Jardin mit schmerzendem Kopf saß. Aber der Graf rührte sich nicht. »Ich denke nicht daran!« schrie er in unbeherrschter Wut.
»Na, dann nicht«, sagte Michel und gab ihm einen Stoß vor die Brust, daß er ein Stück zur Seite taumelte.
Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, setzte sich Michel neben den kleinen Jardin auf den Bettrand.
Eberstein blickte sich wild in der Kajüte um. Wahrscheinlich suchte er eine Waffe. Zum Glück fand er keine.
Auf einmal wurde ihm schlecht, und er erbrach sich mitten in der Kabine ohne Rücksicht auf die Anwesenden.
»Hola, pequeno«, sagte Michel zu Alfonso Jardin, »kann man sich wenigstens mit Euch vernünftig unterhalten?«
»Oh--oh--«, stöhnte der, »mein Kopf wird auseinanderplatzen. Oh — oh — nun bin ich dieser scheußlichen Marina auf der »Trueno« entronnen, und jetzt werde ich an Kopfschmerzen sterben. Dios mio, Senor Baum, versenkt meinen Leichnam ins Meer.«
Michel lächelte. Der Kleine tat ihm leid. Wie ein Vater legte er beruhigend seinen Arm um die Schulter des Betrunkenen und tröstete ihn leise.
»So schnell stirbt sich's nicht, pequeno. Und im übrigen dürft Ihr sowieso nicht sterben; denn wir brauchen Euch dringend an Deck. Das Schiff muß klargemacht werden. Hört Ihr pequeno, das Schiff.«
Das wirkte. Jardin schüttelte gewaltsam alle trüben Gedanken von sich. Er kniff die Augen ein paarmal zusammen, daß ihm die Kopfhaut weh tat. Dann richtete er sich mühselig auf. »Wie steht es draußen?« fragte er mit ganz vernünftiger Stimme.
»Schlecht, mein Freund, wir können unseren Kurs nicht mehr mit dem Ruder festlegen. Ihr habt es gestern zerschießen lassen. Außerdem sind alle Segel zerfetzt. Wir treiben ohne Ziel durch die Wellen und wissen nicht einmal, wie weit sich inzwischen unser Standort verändert hat. Ihr habt es ja vorgezogen, Euch voll Wein zu gießen, anstatt an Eure Rettung zu denken.« Jardin blickte schuldbewußt zur Erde.
»Ihr habt recht, Senor Baum, ich weiß, ich bin ein verdammter Lump, ein ganz verfluchter Faulpelz. Demonio, und Ihr, dem wir unsere Rettung verdanken, habt nicht einen einzigen Schluck Wein bekommen. Que diablo, welche Schande!«
»Ich bin nicht böse drum, pequeno, sonst wäre es mir wahrscheinlich genauso ergangen wie Euch. Inzwischen wären wir dann auf Grund gelaufen und hätten uns um unsere Zukunft keine Sorgen mehr zu machen brauchen. Sagt, Jardin, wer hat eigentlich den Wein gefunden?« Der Kleine deutete auf sich selbst.
»Ich, Senor, ausgerechnet ich mußte ihn finden. Das heißt, Ojo und Deste waren auch dabei. Aber ich habe es zugelassen, daß man zu trinken anfing.« »Ach, und wer hat angefangen?«
Jardin blickte wütend zu Eberstein hinüber, der totenbleich auf einem Stuhl saß. »Euer deutscher Freund«, sagte er und deutete grimmig auf den Grafen. »Ich habe es ihm anfangs verboten; aber er versteht ja unsere Sprache nicht. Da war nichts zu machen.« »Bueno«, sagte Michel in Gedanken, »da war wirklich nichts zu machen.« Jetzt rappelte sich auch der Kapitän hoch, der noch immer am Fußende des Bettes gelegen hatte. »Valgame Dios, was habe ich für einen Brummschädel«, schimpfte er und erhob sich schwankend. Dann fiel sein Blick auf Michel und den Kleinen. »Vermaledeit, was sitzt Ihr hier herum, Senor Jardin? Habe ich Euch zum Ersten Offizier gemacht, damit Ihr mir beim Schlafen zuseht — — Mutter Gottes«, schlug er sich plötzlich mit der Hand vor den Kopf, »ich hatte ganz vergessen, daß--daß--Verdammt, bin ein schöner Capitan!--Kommt, Senores, wollen sehen,ob wir da oben auf dem abgetakelten Deck nicht wichtiger sind als hier unten. Nehmt Euch zusammen — — laßt niemanden merken, daß wir uns — — hm — — daneben benommen haben.«
Michel stieß innerlich einen Jauchzer aus. Die Aufrichtigkeit des
Weitere Kostenlose Bücher