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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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wurden nach kurzer Zeit hinübergetragen. Eberstein rief ihnen gut gelaunt nach:
    »Auf Nimmerwiedersehen, Musketier Baum, laßt es Euch gutgehen und denkt hin und wieder mal an Euern besten Freund, den Grafen Eberstein.«
    »Auf Wiedersehen, du Schweinehund!« zischte Michel, wobei er die Betonung so stark auf das Wiedersehen legte, daß es Eberstein sekundenlang nicht wohl in seiner Haut war.
    Die Wasserträger warfen die fünf Sklaven in den Kielraum, und während der nächsten Stunden kümmerte sich kein Mensch um sie.
    Als eine Weile vergangen war, sagte Jardin mühsam: »Wir fahren, Senores. Nun ist es aus.«
    »Ein furchtbarer Gedanke, in meinem Alter noch Sklave zu werden«, sagte Kapitän Porquez. »Ich wünschte, wir hätten dieses englische Schiff mit den deutschen Soldaten niemals getroffen. Man hat überall soviel von der berühmten Treue der Deutschen gesprochen, daß ich sie fast für gute Menschen gehalten hätte. Nun, ich bin eines Besseren belehrt worden. Die einzige Ausnahme seid Ihr, Senor Baum.«
    »Unsinn, Capitan, Ihr müßt unterscheiden. Schlechte Menschen gibt es überall. Die Soldaten waren gute Kerle. Und wenn sie nicht von diesem verdammten Eberstein aufgehetzt worden wären, so hätten sie sich auch niemals an uns vergriffen. Vergeßt nicht, daß Menschen außerdem alles Menschliche verlieren, wenn sie Durst und Hunger haben. Nur wenige, die ganz Starken, behalten in solchen Zeiten ihre Fassung. Nein, meine Landsleute sind nicht schlecht. Ich bin davon überzeugt, daß Eberstein gar nicht lange gefragt hat, ob sie sich unser bemächtigen wollten, sondern er hat es ihnen einfach befohlen.«
    »Hört, Senor, Eure Fürsprache ehrt Euch. Aber hättet Ihr jemals einen solchen Befehl ausgeführt?«
    Michel dachte einen Augenblick über diesen berechtigten Einwand nach. Wenn er diese Frage mit Nein beantwortete, so würde man wahrscheinlich »na also« darauf sagen. Aber Michel war ja auch kein Musketier. Es schien ihm aussichtslos, seine spanischen Freunde darüber aufzuklären, was man in Deutschland, und nicht nur in Preußen, unter einem Befehl verstand. Dennoch machte er den Versuch, den Ausländern eine bessere Meinung von seinen Landsleuten beizubringen.
    »Es ist schwer, Senores, die deutsche Seele zu verstehen. Es würde auch zu weit führen, wollte ich jetzt eine Vorlesung darüber halten. Wir haben im Augenblick, glaube ich, andere Sorgen. Aber eines muß ich euch sagen: nach dem deutschen Ehrenkodex gilt es als der schwerste Verstoß, wenn ein Soldat einen Befehl nicht ausführt und dadurch die Disziplin der Truppe untergräbt. In meinem Vaterland baut sich überhaupt das ganze Leben nur auf zwei Begriffen auf: Befehlen und Gehorchen. Es befiehlt der Fürst dem Minister, es befiehlt der Minister dem Kanzleirat, es befiehlt der Polizist dem Bürger und der Bürovorsteher seinem Angestellten. Und wer dieses Leben nicht mehr ertragen will, gilt als Aufrührer oder, Revolutionär, und wenn er seinen erzwungenen Fahneneid bricht, so ist er ein Deserteur. Seht ihr, Senores, und solch ein Deserteur bin ich. Deshalb würde ich auch dem Befehl Ebersteins nicht gehorcht haben. Vielleicht versteht ihr das.«
    Es kam keine Antwort. Die Gefangenen schienen darüber nachzudenken. Und dieses Nachdenken währte seine Zeit und lenkte für eine Weile die Gedanken von dem augenblicklichen Los ab.
    Die »Medina« kreuzte nördlich der Dreiergruppe der Kanarischen Inseln und versuchte, NordOst-Kurs zu gewinnen.
    Es war Abend geworden. Die »Quebec« war nicht mehr zu sehen. Der Kapitän saß mit gekreuzten Beinen auf dem Diwan in seiner Kabine und hatte das Mundstück seines Tschibuks zwischen den Zähnen. Irgendwie fühlte er sich jedoch unzufrieden. Er überlegte sich schon zum hundertstenmal, ob er richtig gehandelt habe, ob es dem Daj von Al-Dschesair gefallen würde, wenn er Kunde davon erhielt, daß man eine ganze Kompanie Soldaten gegen fünf Gefangene eingetauscht hatte. Er mußte an Ibn Kuteibas Vorschlag denken. Sicher, es wäre ein Leichtes gewesen, sie alle zu fangen...
    Der Kapitän schüttelte den Kopf. Was war nur in ihn gefahren? Je länger er über seine Handlungsweise nachdachte, umso unverständlicher erschien sie ihm. Er klatschte in die Hände. Ein Diener erschien und fiel mit über der Brust gekreuzten Händen vor ihm nieder. »Rufe mir Ibn Kuteiba. Aber schnell, du Hundesohn, sonst lasse ich dich kielholen.« Der Diener entfernte sich hastig. Kurz darauf erschien der

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