Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
Vom Netzwerk:
Steuermann.
    »Laß dich nieder, Ibn Kuteiba«, befahl sein Herr. Dann klatschte er abermals in die Hände. »Bring Kaffee!« fuhr er den eintretenden Diener an.
    Bis die Wasserpfeife dampfte und der starke Mokka vor dem Steuermann stand, herrschte Schweigen. Endlich meinte der Kapitän:»Man nennt dich den Gelehrten, Ibn Kuteiba. Ich brauche jetzt deine Weisheit. Sage mir ehrlich, glaubst du, daß ich mich richtig verhalten habe heute nachmittag?«
    Ibn Kuteiba schien in weite Fernen zu blicken, als wollte er dort seine Antwort auf diese Frage herholen.
    »Du hast streng nach dem Gebot des Propheten gehandelt, Sayd. Wer sollte es wagen, dich dafür zu tadeln?« antwortete der Steuermann diplomatisch.
    »Aber ich habe eine ganze Kompanie Soldaten ungeschoren gelassen, die ich doch hätte mit Leichtigkeit überwinden können. Ist das nicht gegen die Gesetze des Daj?« Ibn Kuteiba bewegte wägend den Kopf.
    »Es kommt darauf an, wie man es auslegt, o Herr. Ich weiß, wir alle haben einen Feind an Bord. Aber ich kenne nicht seinen Einfluß an höchster Stelle. Allah verzeihe mir diese Offenheit.« »Du meinst Abdallah, nicht wahr?« Kuteiba nickte.
    »Maschallah«, fuhr der Kapitän auf, »sollte es nicht möglich sein, seine Schläue durch deine Weisheit zu übertreffen?«
    Der Steuermann wiegte abermals den Kopf. Das schien eine seiner stereotypen Bewegungen zu sein, mit der er die Wichtigkeit seiner Gedanken unterstreichen wollte.
    »Man kann vieles tun, Sayd. Man kann zum Beispiel den Wert der gefangenen Sklaven so bemessen, daß der Pascha mit dir zufrieden sein wird. Allah scheint dem Franzosen viel Verstand verliehen zu haben. Man muß ihn für uns zu nutzen suchen. Du weißt, unser Daj liebt es, sich mit den Weisheiten des Abendlandes zu umgeben.«
    Abu Hanufa al Dinaweri klatschte abermals in die Hände.
    »Schafft mir sofort den großen Sklaven mit den blauen Augen und dem blonden Haar zur Stelle!« schrie er den kriechenden Diener an. Ibn Kuteiba nickte beifällig. Sie warteten. Es vergingen einige Minuten. Dann wurde Michel Baum in die mit orientalischer Pracht ausgestattete Kabine des Kapitäns gestoßen. Er war noch immer so fest verschnürt, daß er sich kaum bewegen konnte.
    Mit der verblüffenden Frage »Was kannst du?« wurde er empfangen.
    Michel ärgerte sich darüber, daß man ihn derartig gefesselt vernehmen wollte. Zudem hatte er einen so quälenden Durst, daß ihm die Zunge wie Feuer im Munde brannte. Er schwieg. »Willst du nicht antworten?« fragte Kuteiba wieder auf französisch. Michel schwieg. »Sollen wir dir die Bastonnade geben, damit du reden lernst?«
    »Ich antworte nur, wenn es mir gefällt, merk dir das«, sagte Michel lallend; denn seine Zunge war dick geschwollen vor Durst.
    Ibn Kuteiba lachte und übersetzte seinem Herrn, was der Sklave gesagt hatte. Der Kapitän wollte auffahren. Aber der Steuermann beschwichtigte ihn.
    »Zürne nicht, o Herr, ich habe den Eindruck, daß wir in dem Gefangenen einen ungewöhnlichen Menschen vor uns haben. Er wird für unsere Pläne wie geschaffen sein.«
    Abu Hanufas Züge klärten sich.
    »Frage ihn, wann es ihm gefällt zu reden!«
    »Wenn ich Wasser zu trinken bekomme und ihr mir die Fesseln lockert«, antwortete Michel. »Auch meine Kameraden sind halb verdurstet. Und doch kann ich ohne ihre Hilfe meine Kunst nicht ausüben.«
    Kuteiba horchte auf. Was für eine Kunst meinte der Mann?
    »Wie meinst du das?« fragte er, nachdem er für seinen Herrn übersetzt hatte.
    »Erst Wasser. Sonst sage ich nichts!«
    Der Kapitän nickte. Kuteiba nahm dem Gefangenen die Handfesseln ab, ließ aber die Oberarme weiterhin eng am Körper gefesselt. Dann gab er ihm einen Krug. Michel stürzte das Naß, das ihm wie ein nie genossener Göttertrank erschien, gierig hinunter. »Nun erzähle. Wir haben deinen Wunsch erfüllt.« Michel schüttelte den Kopf.
    »Nicht bevor meine Kameraden ebenfalls Wasser bekommen haben.«
    Der Kapitän bewilligte auch das. Man wies einen Diener an, die Gefangenen sofort mit Wasser zu versorgen.
    »Also du sprachst von einer Kunst, die du beherrschst? Was ist das für eine Kunst?«
    »Ich bin Arzt, ein Wunderarzt, der alle Krankheiten heilen kann, sofern ich mit meinen Helfern zusammenarbeiten darf. Sie sind alle studierte Medizingehilfen.«
    »Ah--«, der Steuermann übersetzte und »Ah--«, erklang es ebenso gedehnt aus dem Mund des Kapitäns.
    Michel sah mit Erstaunen die Genugtuung, die den beiden deutlich im Gesicht geschrieben

Weitere Kostenlose Bücher