Elben Drachen Schatten
entstanden. Manche dieser mitunter nur von einer Handvoll Elben bewohnten Schlösser standen an Orten, die man vor einer Besiedlung besser hätte befestigen müssen oder an denen nicht überprüft worden war, ob der Untergrund auch die nötige Stabilität aufwies. Zudem hatte Andir zwar zahlreiche Elben in der Anwendung von Reboldirs Zaubers unterwiesen, doch nicht alle wandten dieses Wissen richtig an. Andere verfügten nicht über die nötige geistige Kraft, und wieder andere versuchten solche Bauten zu erschaffen ohne die geistige Unterstützung von genügend weiteren Elben, oder sie waren zu ungeduldig in der Materialisationsphase.
»Ungeduld«, so sagte Nathranwen einmal während einer Zusammenkunft der Heilerzunft, »scheint die Krankheit unserer neuen Zeit zu sein. Offenbar hat sie den Lebensüberdruss abgelöst. Was ein Jahrtausend währen soll, muss in einem Jahrhundert errichtet werden, doch allzu oft nehmen wir uns dafür nicht einmal mehr ein Jahrzehnt oder einen Winter.«
So vergingen zwei Menschenalter, ehe Ithrondyr noch einmal in König Keandirs Auftrag gen Süden nach Tagora segelte. Inzwischen war das Reich erneuert worden und hatte sich weiter ausgedehnt. Prinz Sandrilas warnte König Keandir, weil er der Ansicht war, dass die Möglichkeiten Elbianas bereits ausgereizt waren. Aber inzwischen siedelten auch Elben in Nordbergen, während im Süden weitere Häfen an den Küsten von Nuranien und Elbara entstanden waren.
König Keandir sah ein, dass der einäugige Prinz recht hatte: Die Kräfte Elbianas waren an ihre Grenzen angelangt. Die Randgebiete vom Königshof in Elbenhaven aus regieren zu wollen war kaum noch möglich, und so entschloss sich Keandir, Herzöge einzusetzen, die dort in seinem Namen herrschen sollten. Faktisch würden die Elben von Nuranien, Elbara und Nordbergen nahezu unabhängig sein, aber nominell unterstanden sie durch die Einsetzung der Herzöge noch immer dem Reich Elbiana.
»Ich schlage vor, dass wir den Nur als äußerste Grenze des Reiches festlegen«, sagte Prinz Sandrilas bei einer Tagung des Kronrats. »Wir Elben tendieren nur allzu leicht dazu, uns in kleinste Gruppen aufzusplittern. Und auch wenn die Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten unverändert hoch geblieben ist – hoch in den Maßstäben unseres Volkes ―, werden es nur wenige Elben sein, die in den äußeren Provinzen vergleichsweise riesige Gebiete verwalten werden.«
»Sollen wir den Elben denn verbieten, den Ort selbst zu wählen, an dem sie leben wollen?«, fragte König Keandir.
»Vielleicht ist das für eine Übergangszeit notwendig«, antwortete Sandrilas.
Aber Keandir war in diesem Punkt anderer Ansicht. »Nein, das wäre der Anfang vom Ende des Elbenreichs. Die Gefahr der Überdehnung sehe ich auch, aber solange kein mächtiger Feind an den Grenzen auftaucht, ist dieses Problem eher zu meistern als eine Unzufriedenheit im Inneren.«
Wirklich mächtige Feinde waren in der Tat bisher nicht in Sicht. Die Trorks schlugen sich zwar unablässig mit den Zentauren, aber noch keiner von ihnen hatte es geschafft, den Nur zu überschreiten. Den Berichten des Fährtensuchers Lirandil nach sprach vieles dafür, dass sie wasserscheu waren, was der Sicherheit der Grenze sehr zugute kam.
Während sich die Trorks nicht über den Nur trauten, hatte sich über den Flusshafen Siras ein schwunghafter Handel mit den Zentauren entwickelt. Diese ernteten die Sinnlose, und diese wurde gegen Waffen aus Elbenstahl getauscht, mit denen sich die Zentauren besser gegen die immer wieder in das Waldreich einfallenden Trorks verteidigen konnten.
Die Eiskreaturen, auf die Kapitän Isidorn bei seiner ersten Fahrt an die Küste des Eislands gestoßen war, schienen ihre kalte Heimat tatsächlich nicht verlassen zu wollen, sodass man auch sie nicht als Gefahr für das Reich ansehen konnte.
Während seiner Wanderschaft durch Elbara war Branagorn der Suchende westlich der elbareanischen Hochebenen auf ein Land gestoßen, dem er den Namen Zylopien gab, was »Land der Vielarmigen« bedeutete. Die Bewohner waren sechsarmige Riesen von der dreifachen Größe eines durchschnittlichen Elben. Branagorn drang bis zu ihrer Stadt vor, musste aber feststellen, dass diese Riesen ihn und seine Getreuen überhaupt nicht beachteten und auch nicht an einer Aufnahme von Handelsbeziehungen oder irgendeinem anderen Austausch interessiert waren. Sie lebten für sich, huldigten ihren Göttern und ernährten sich von Pflanzen, da die Heiligkeit
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