Elben Drachen Schatten
und kennt das Geheimnis harten Metalls, gegen das die Schwerter der Tagoräer wie Halme aus welkem Schilf sind. Seine Armeen sind nicht aufzuhalten. Vor allem befreite er die Fronarbeiter aus dem Sklavendienst von deinesgleichen!« Der Rhagar spuckte verächtlich aus.
»Meinesgleichen?«, fragte Keandir. »Ihr seid also Elben begegnet!«
Keandir fragte nach Ithrondyr und seinem Schiff »Jirantor«. Möglicherweise hatten die Piraten es gekapert oder dies zumindest versucht. Doch das war nicht der Fall. Sie befuhren diese Gewässer erst seit einem Jahr im Auftrag des Eisenfürsten, der offenbar den Traum hegte, dass sich ihm langfristig alle Rhagar und später auch alle Tagoräer unterwarfen. Den ganzen nördlichen Kontinent – womit offenbar das Zwischenland gemeint war – wollte er für den Sonnengott erobern.
Keandir fragte nach Begegnungen mit Elben und was es mit der Befreiung aus den Frondiensten auf sich habe. Ein anderer Rhagar antwortete ihm und berichtete von einem Elbenschiff, das vor vier Jahren an der Waldküste westlich von Cadlan gelandet sei. Die in der Gegend lebenden Rhagar hätten sich dem Kapitän des Schiffs bereitwillig unterworfen und seien ihm zu Diensten gewesen, als er von ihnen verlangt hatte, beim Aufbau eines Hafens zu helfen.
»Das muss Ithrondyr gewesen sein!«, entfuhr es Magolas, der die Worte des Rhagar und Gelronds Übersetzung mit anhörte. »Welcher Maladran mag in ihn gefahren sein, dass er auf den Gedanken kam, an einer Küste der Rhagar einen Hafen zu gründen zu wollen?«
»Ich kenne Kapitän Ithrondyr seit frühester Jugend«, erwiderte Keandir. »Er hatte gewiss die besten Absichten.«
»Vielleicht seht Ihr ihn zu verklärt, mein Vater. Es könnte sein, dass er gar nicht mehr in Eurem Interesse handelt, sondern sein eigenes Königreich errichten wollte.«
Keandirs Stirn umwölkte sich. Magolas’ Worte waren schlüssig, aber er wollte an diese Möglichkeit erst glauben, wenn sich ihre Wahrheit als unumstößlich erwies.
»Berichte mir mehr darüber!«, verlangte Keandir von dem Rhagar. Der Geist des Barbaren war schwach, und so ließ er sich schon durch geringfügigen Einsatz von Magie zum Reden ermuntern. Davon abgesehen gab es wohl auch keinen Grund für ihn zu schweigen.
»Edanor heißt der Ort!«, behauptete er.
»Das ist in der Tat ein elbischer Name«, fügte Gelrond der Sprachkundige hinzu. Der Begriff Edanor bedeutete einfach nur »Neue Siedlung«.
»Was wurde aus den Elben von Edanor?«, fragte Keandir den Rhagar. »Du hast von einer Befreiung aus dem Frondienst gesprochen!«
»Der Eisenfürst kam mit seinem Heer von der Landseite, nachdem er schon das gesamte Land, das von uns ›Karanor‹ genannt wird, erobert hatte. Mutig griff er die Elben an und tötete viele von ihnen. Sie waren schwer zu töten, da ihre Wunden schneller heilen als die der Menschen. Aber sie waren sterbliche Wesen, das wurde allen offenbar. Und jene Rhagar, die sich dem Kapitän unterworfen hatten, erkannten nun, dass sie falschen Götten gefolgt waren. Der Sonnengott – der Vater des Eisenfürsten – ist stärker, und so konnte er den seinen den Sieg schenken.«
»Was ist mit dem Kapitän geschehen?«
»Ich weiß es nicht«, bekannte der Rhagar. Und alsbald bekam der Elbenkönig unterschiedliche Versionen darüber zu hören, welches Schicksal Kapitän Ithrondyr erlitten hätte. Einige meinten, er wäre getötet worden, andere, ihm wäre mit seinem Schiff die Flucht geglückt, und eine dritte Gruppe erzählte, dass er mit wenigen Getreuen seit Jahren in den Ruinen von Edanor ausharre, belagert von den Truppen des Eisenfürsten und ohne Möglichkeit zur Flucht, da sein Schiff zerstört wäre.
»Wir werden sehen, welche dieser Geschichten der Wahrheit entspricht«, murmelte König Keandir düster.
Die Schiffbrüchigen wurden an der bewaldeten Küste jenes Landes abgesetzt, dass die Rhagar Karanor nannten, was in ihrem Dialekt einfach nur »großer Wald« bedeutete. Die »Tharnawn« folgte weiter der Küste bis zum Eingang eines Fjords. Dort entdeckten die Elben die Ruine eines halbfertigen Hafens und einer ebenso halbfertigen Burg.
Der Stil der Gebäude ließ durchweg den feinen Geschmack und die Eleganz der Elben erkennen, allerdings waren die Arbeiten nicht mit jener Sorgfalt und der Liebe zum Detail durchgeführt worden, wie ein elbischer Baumeister sie an den Tag legte. Offensichtlich war mit Händen und primitiven Werkzeugen gearbeitet worden, und weder das
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