Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
dicke
hatte, wie sie das hinterher nannte. Der andere Grund, so erkannte ich: Sie
musste ihr bizarres Geheimnis schlicht mal ausspucken. Also ballerte Katja
ihrem Chef hemmungslos einige schwer verdauliche Tatsachen über mich um die Ohren.
Er stand wortlos auf und ging.
Was soll ich tun?
Lass ihn, er wird das
Gesagte verdrängen und danach so tun, als kämen die Informationen ausschließlich
von Katja selbst.
Ich erklärte es ihr, sie
zeigte sich fürs Erste einverstanden. Dabei schwang noch etwas anderes, Zartes
in ihrer Seele mit.
Ach, herrje, sie beginnt
sich in ihren Chef zu verlieben . Da werde ich mich
hübsch heraushalten.
Sie wird deine Hilfe
benötigen, Lilia.
Oh nein!
Oh ja , brummten
sie zurück.
Befreit genossen wir unser Frühstück nun doppelt.
Nach dem ersten Glas Sekt wagte ich mich an meine Mission. „Katja, was wäre,
wenn du schon vorher von einem Mordkomplott wüsstest?“
„Na, das wäre echt cool.
Jedenfalls, wenn der Täter trotzdem hinter Gittern verschwindet“, erwiderte sie
herzhaft.
Ganz langsam folgte der
schräge Blick in meine Richtung. Ich sah ihr Gehirn förmlich rattern.
„Du meinst, du willst sagen,
also…“
„Nicht nur tolles Essen und
verschwundene Leichen, genau.“
Drückende Unsicherheit
musste in ihrem Inneren aufkeimender Angst weichen, flackernder Mut griff an,
dann übernahm ihr Instinkt zögerlich das Ruder. Sie würde es schaffen.
W as vom Sonntag für mich
allein übrig blieb, investierte ich in ein Mordkomplott. Einmal ist immer
das erste Mal. Oder? Zur Belohnung gönnte ich mir hinterher als
verspätetes Abendessen eine Pizza der Größe XXL, belegt mit frischem Gemüse.
Der Vorteil, wenn man allein lebte war, hemmungslos mit den Fingern essen zu
können. Mein Bauch nahm unterdessen die Form einer Melone an, sozusagen von der
Honig- zur Wassermelone anschwellend. Ein wenig Bewegung könnte nicht
schaden.
Aber draußen führte längst die Nacht das Regiment.
Aus einem unergründlichen Nichts ließ mein Kopf in seine Stille hinein Clara
Pontys „Melancholy“ erklingen. Der Flügel. Ich ging ins Wohnzimmer,
entzündete Kerzen und öffnete ihn. Bedächtig setzte ich mich auf den Schemel,
ließ meine Augen über die Tasten gleiten. Mit leicht gespreizten Fingern legten
sich meine Hände sacht darüber. Zaghaft wiederholte ich „Melancholy“. Von dem
akzeptablen Resultat ermutigt, versuchte ich mich an Chopins „Nocturne“. Ah,
welch eine Wonne! Im tiefsten Innern verborgene Sehnsüchte glitten durch
meine Finger hinaus wie Freudentränen. Darin versinkend, erklang die
„Mondschein-Sonate“. Nun mit geschlossenen Augen wogend, verlor ich jedes
Gefühl für Zeit und Raum.
L ilia! Lilia! Mit donnernder Macht riefen die Sternelben.
Verwirrt wusste ich mich
kaum in die Realität zurück zu befördern.
Lilia, komm zu dir!
Warum, was ist?
Elin, du musst sie retten!
Ihre Botschaft sprengte
sämtliche Träumereien mit Lichtgeschwindigkeit aus dem Kopf.
Wo ist sie?
Schnell, wir führen dich zu
ihr, nimm den Wagen.
Die Sternelben lotsten,
nein, scheuchten mich quer durch die nächtliche Stadt in Richtung Osten, bis eine
Industriebrache auftauchte.
Spute dich, Lilia, ihr müsst
schleunigst fort.
Ich sprang aus dem Wagen,
hastete über Steinbrocken und verrostete Drähte, bis ich ein schwächliches
Glimmen zu erkennen glaubte. Elin lag halb verborgen unter einem zerbeulten
Blechstück. Behutsam hob ich sie auf. Sie wog – nichts. Ihr Licht schien
beinahe erloschen.
Elin, Elin, bitte halte
durch, ich bin bei dir, alles wird gut.
Kaum mehr wahrnehmbares
Flüstern: Lilia, in die Kirche.
Die Sternelben drängten mit
brausendem Gesang zur Eile. Im Laufschritt trug ich die Elbe zum Auto, legte
sie auf die Rückbank und sprang zurück auf den Fahrersitz. Mit Vollgas ging es
über rote Ampeln nach Santa Christiana.
Vorsichtig mit dem linken Arm die Elbe
haltend, tastete ich nach dem Schlüssel. Die Lichtwesen erleuchteten bereits
das Innere. Langsam ließ ich mich auf das Kissen sinken, zog Elin auf meinen
Schoß und richtete ihre offenen Handflächen zum Licht aus. Mein Herz stolperte
vor Kummer, Furcht und Erschöpfung, doch meine Gedanken gehörten allein ihr.
Werdet ihr sie retten? Geh
nicht fort, Elin!
Das Licht erstrahlte heller,
immer heller um uns.
L ilia, aufwachen, die
Morgendämmerung beginnt!
Benommen gewahrte ich meine
Umgebung. Wie geht es ihr?
Das Elbenvolk ist zäh, sorge
dich nicht länger.
Elin bewegte sich.
Elin! Bist du
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