Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
Dörfer zu schützen, doch konnten sie wenig ausrichten und zogen nach kurzer Zeit wieder ab. Dennoch käme ein Fortgehen nur für Wenige in Frage, wie Nilas erklärte. Die Menschen hier wären mit ihrem Land verwurzelt und hätten die Hoffnung auf Besserung noch nicht aufgegeben. Selbst das ärmliche Leben hier zogen sie der unbekannten Fremde vor.
Für Lhiuvan war das alles schwer begreiflich. Zwar mochte er nicht repräsentativ für sein lange Zeit nur antriebslos dahindämmerndes Volk sein, doch würde er lieber im Kampf sterben, statt sich in ein solches Schicksal zu ergeben.
Als Sila schließlich zurückkehrte, befanden sich vier junge Männer bei ihr. Mit sich führten sie eine provisorisch aus zwei Holzstangen und einem Stück Tuch zusammengebastelte Trage, auf die sie ihn vorsichtig hoben und bis nach Waldhain trugen. Die Nacht war bereits hereingebrochen, als sie das Dorf erreichten, eine Ansammlung von nur wenigen Dutzend strohgedeckten Hütten.
Die Nachricht von dem verletzten Elb hatte sich längst im Ort herumgesprochen, denn eine große Schar Menschen aller Altersgruppen erwartete den Neuankömmling bereits, um ihn zu begaffen. Offenbar waren Sila und Nilas nicht die einzigen Menschen hier, die noch niemals zuvor einen Elben gesehen hatten. Mit einem leichten Gefühl der Bitterkeit erinnerte sich Lhiuvan, dass die Menschen vielfach nicht einmal mehr an die Existenz seines Volkes glaubten und es für eine bloße Legende hielten.
Man brachte Lhiuvan in eine der Hütten. Nilas wohnte dort zusammen mit seiner Enkeltochter, nachdem ihr Vater schon vor mehr als zehn Jahren von den Barbaren getötet worden und ihre Mutter wenige Jahre später an einer Krankheit gestorben war. Es gab nur zwei Zimmer im Inneren, einen größeren Wohnraum und einen wesentlich kleineren, in dem ein frisches Lager für ihn bereitet worden war. Auf einem kleinen Regal standen einige mit mehr gutem Willen als handwerklichem Können aus Holz geschnitzte Tiere und anderes selbstgemachtes Spielzeug, woraus er folgerte, dass Sila normalerweise in diesem Raum lebte.
Nilas bedankte sich bei den Männern, die Lhiuvan getragen hatten, wimmelte sie dann jedoch freundlich, aber bestimmt ab und schloss die Tür hinter ihnen. Das war das Letzte, was Lhiuvan von diesem Abend mitbekam, ehe er erneut einschlief.
Die nächsten Tage verstrichen für ihn in großer Langeweile. Seine Hoffnung, dass sein Gedächtnis rasch zurückkehren würde, erfüllte sich nicht. Die meiste Zeit verbrachte er allein auf seinem Lager und nutzte sein schwaches magisches Talent, um die Selbstheilungskräfte seines Körpers anzuregen und die Knochen seiner Beine zum schnelleren Zusammenwachsen zu zwingen.
Nilas und sogar Sila verbrachten fast den ganzen Tag mit der Arbeit auf den Feldern, fanden lediglich abends Gelegenheit, sich eine Weile mit ihm zusammenzusetzen. Dabei erwies sich vor allem Sila als ein Quell schier unerschöpflicher Neugier. Sie interessierte sich für alles, was außerhalb ihrer eigenen kleinen Welt vorging, lauschte seinen Erzählungen über das Volk und die Geschichte der Elben, bis ihr vor Müdigkeit die Augen zufielen, und stellte immer neue Fragen.
Dabei geschah etwas Seltsames. Hatte er anfangs erwartet, dass ihre kindliche Neugier ihn bald belästigen würde, begann er stattdessen die Zeit mit ihr zu genießen. Ihre Naivität und ihr Wissensdurst auf fremde Länder und Völker rührten ihn, und er ertappte sich dabei, dass er sich tagsüber auf die abendlichen Stunden mit ihr und ihrem Großvater zu freuen begann.
»Warum tut Ihr das alles für mich?«, erkundigte er sich eines Tages. Sie boten ihm nicht nur Unterkunft, sondern teilten auch ihre wenigen Nahrungsmittel mit ihm. Obwohl es sich um karge Kost handelte, mussten sie sich doch alles, was sie ihm gaben, selbst vom Mund absparen. Mit größter Wahrscheinlichkeit hatten sie ihm sogar das Leben gerettet. Allein hätte er in der Wildnis kaum überlebt, hätte sich nicht einmal mit Essen versorgen können.
»Ihr wart in Not und brauchtet Hilfe«, erwiderte Nilas schlicht und zuckte die Achseln. »In einer Notlage hilft man sich eben. Das ist unsere Lebensweise, wir kennen es nicht anders.«
Lhiuvan erwiderte nichts darauf, aber diese Worte hallten noch lange in seinen Gedanken nach. Wenn es ihm irgendwie möglich sein würde, würde auch er umgekehrt diesen Menschen helfen, sobald er wieder völlig genesen war, nahm er sich vor.
Sein Heilungsprozess schritt rasch voran.
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