Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
diese Menschen lieben uns zwar nicht unbedingt, jedenfalls jetzt nicht mehr. Aber sie verhalten sich auch nicht feindselig. Offenbar sind sie vernünftiger als die Menschen im Norden.«
»Die Stämme im Norden wurden von Hollan aufgehetzt«, entgegnete Thalinuel. »Ich glaube, auch dort sind die meisten Menschen eigentlich nicht unsere Feinde. Das Problem sind ihre Anführer. Sie wiegeln sie auf.«
»Das denke ich auch, obwohl ich auch den einfachen Menschen nicht traue. Ohne Hollan und einige andere wären unsere Probleme allerdings wesentlich kleiner.«
»Wenn König Lotharon wenigstens gegen sie vorgehen würde! Dass Hollan den Angriff auf unsere Delegation angestiftet und bezahlt hat, können wir ihm leider nicht nachweisen, da der Anführer der Tzuul sich dummerweise selbst getötet hat. Aber dafür könnten wir ihn für viele andere Übergriffe der von ihm beherrschten Dörfer und Stämme zur Rechenschaft ziehen. Bei anderen wäre es ebenso.«
»Der König zieht es eben vor, untätig zu bleiben. Viel würde es wahrscheinlich auch nicht nutzen, Hollan und ein paar andere vor ein Gericht zu stellen. Wir würden sie zu Märtyrern machen, und andere würden rasch an ihre Stelle treten.« Er seufzte. »Und es sind ja nicht nur die Menschen, die bereits wieder beginnen, Chaos zu verbreiten, obwohl wir davon am unmittelbarsten betroffen sind. Die Zwerge und Goblins haben zwar derzeit wenig mit uns zu tun, doch uns haben Berichte aus den Graubergen erreicht. Dort ist es zwischen ihnen zu Kämpfen gekommen. Und im Westen leben die Menschen in Angst. Es heißt, immer wieder würden einige von ihnen in der Nähe von Nocturnen-Niederlassungen spurlos verschwinden.«
»Ihr denkt, die Nocturnen hätten etwas damit zu tun?«
»Wie sollte es anders sein? Sie haben ihren finsteren Dämonengöttern schon immer Opfer dargebracht, und nun, da wir sie nicht mehr daran hindern, tun sie es offenbar erneut.«
Die Vorstellung entsetzte Thalinuel und ließ sie schaudern. Zwar wusste sie von den grausamen Ritualen, denen die Nocturnen einstmals gefrönt hatten, doch hätte sie nicht erwartet, dass sie nach der langen Zeit wieder darauf verfallen und alles, was man sie gelehrt hatte, ablegen würden.
»Woher wisst Ihr davon?«
»Als Stellvertreter des Hüters der Türme erfahre ich eine Menge, wovon selbst Molakan nicht möchte, dass es öffentlich bekannt wird. Deshalb weiß ich, wie schlimm die Lage wirklich ist. Würde er alle Informationen, die er erhält, an die Öffentlichkeit bringen, würde es einen Sturm der Entrüstung gegen ein Königspaar geben, das alles nur hinnimmt. Selbst Unruhen ließen sich nicht mehr ausschließen, und so weit darf es nicht kommen. Die anderen Völker würden sich ins Fäustchen lachen und unsere Schwäche gnadenlos ausnutzen.«
Menschenopfer …
Wie wohl alle Angehörigen ihres Volkes empfand Thalinuel ein tief verwurzeltes Misstrauen gegen die Nocturnen, einfach schon deshalb, weil sie aus einem anderen Zeitalter stammten und einst so grauenvolle Dinge getan hatten. Ihre Denk- und Lebensweise widersprach der elbischen stärker als die jedes anderen Volkes. Aber sie hatten schon vor langer Zeit ihren alten Göttern und damit auch den blutigen Ritualen zu deren Verehrung abgeschworen, und es gab keinen einzigen bestätigten Fall, in dem sie dagegen verstoßen hatten. Aus diesem Grund hatte sich Thalinuel stets bemüht, ihr Misstrauen zu unterdrücken, hatte wegen ihrer Vorurteile zeitweise sogar ein schlechtes Gewissen gehabt.
Aber wenn die Nocturnen die Gnade, die die Elben ihnen erwiesen hatten, damit dankten, dass sie nun wieder in ihre Barbarei zurückfielen …
»Wäre dergleichen früher passiert, hätten wir längst eingegriffen«, sprach Olvarian weiter. »Aber die Menschen weisen uns schließlich zurück. Nun müssen sie auch sehen, wie sie mit dieser Bedrohung selbst …«
Er verstummte, als gedämpft und aus weiter Ferne der Klang eines Horns zu ihnen herüberschallte.
»Das ist ein elbisches Horn«, entfuhr es Thalinuel. Fragend blickte sie Olvarian an.
»Das ist es. Und es ist ein Alarmsignal. Dort sind Elben in Gefahr.« Er trieb sein Pferd an. »Wir reiten hin! Vielleicht können wir helfen.«
Das Signal erklang aus südwestlicher Richtung. Mehrfach wurde das Horn noch geblasen, dann verstummte es. Thalinuels Besorgnis wuchs. Sie musste wieder an Olvarians Worte denken, dass dies ein gemütlicher Spazierritt zu werden versprach – diese Hoffnung war nun wohl dahin.
Sie
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