Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
konnten sie uns mühelos überrumpeln. Sie hatten es wohl hauptsächlich auf unsere Pferde abgesehen. Die haben sie uns bereits geraubt und in ihr Dorf gebracht.«
Olvarian knirschte mit den Zähnen.
»Jetzt ist das Maß endgültig voll. Es ist mir egal, was König Lotharon dazu sagen wird, er ist im Augenblick nicht hier, und ich muss die Entscheidungen treffen, die ich für richtig halte. Und ich sage, dass diese Verräter nun zu weit gegangen sind.«
»Was wollt Ihr tun?«, erkundigte sich Thalinuel gleichermaßen erschrocken wie auch aufgeregt, dass wenigstens dieser feige Überfall nicht ohne Folgen bleiben sollte.
»Wir werden auf jeden Fall die Pferde zurückholen, und das bedeutet, dass wir nach Karn müssen. Diese Narren scheinen entschlossen zu sein, uns Widerstand zu leisten.« Er warf einen Blick zu dem Dorf hinüber, dessen Tore inzwischen geschlossen worden waren. »Wenn sie es wollen, gut. Wir werden ihnen etwas von der Gewalt zurückgeben, mit der sie uns überziehen, und ihnen zeigen, was es bedeutet, sich mit uns anzulegen. Ihr werdet mit uns reiten.«
Harliana stieg bei Thalinuel mit aufs Pferd, ihre vier Begleiter bei anderen Mitgliedern der Patrouille.
»Was ist mit den Verwundeten?«, fragte sie und deutete auf das halbe Dutzend Männer, die verletzt am Ufer des Flusses lagen.
»Sie tragen selbst die Schuld an ihrem Schicksal«, sagte Olvarian hart. »Wir können uns jetzt nicht um sie kümmern. Das mögen die Frauen aus ihrem Dorf später selbst machen. Auf, folgt mir!«
Sie preschten auf das Dorf zu. Es war von einem Schutzwall umgeben, der jedoch nicht viel mehr als ein Bretterzaun war. An allen vier Seiten standen Wachtürme, und über dem Tor gab es einen Wehrgang. Darauf hatten sich die noch kampffähigen Männer Karns versammelt und schickten ihnen einen Pfeilhagel entgegen. Doch waren die Geschosse schlecht gezielt und richteten keinerlei Schaden an. Nicht nur besaßen die Menschen wenig Übung im Umgang damit, die Bögen waren auch mit wenig Geschick gefertigt. Ihre Reichweite war gering, ihre Treffgenauigkeit miserabel, und die Pfeile flogen mit wenig Kraft und viel zu langsam. Nicht einer der Elben wurde durch sie verletzt. Den wenigen, die ihnen hätten gefährlich werden können, konnten sie mühelos ausweichen.
»Reite so dicht es geht am rechten Turm vorbei«, verlangte Harliana. »Ich werde versuchen, hinaufzugelangen.«
Thalinuel tat, worum sie gebeten wurde. Sie spürte, wie sich die Elbin hinter ihr aufrichtete, und als sie unmittelbar unter dem Turm vorbeiritten, packte sie einen schrägen Stützbalken und klammerte sich daran fest. Einen Moment lang hing sie frei in der Luft, dann kletterte sie wieselflink weiter hinauf und schwang sich über die Brüstung auf den Turm.
Mit Fußtritten schleuderte sie zwei Männer zurück, während sie ihr Schwert zog. Die Verteidiger hielten immer noch ihre Bögen in den Händen. Bis sie nach ihren eigenen Schwertern greifen konnten, war die Elbin bereits an ihnen vorbei, sprang auf die Innenseite des Turms und verschwand aus Thalinuels Blickfeld.
Zwei Krieger hatten inzwischen auch den zweiten Turm erobert und drangen ins Innere des Dorfes vor. Nur Sekunden später hatten sie den Riegel auf der Innenseite des Tors entfernt und stießen es auf. Zusammen mit den übrigen Kriegern ritt Thalinuel hindurch.
Sie hatten kaum mehr als eine Minute gebraucht, um die Verteidigung zu überwinden. Zwar war Karn nur ein kleines Dorf, in dem nicht mehr als zweihundert, höchstens dreihundert Einwohner lebten, und der Bretterwall war ein lächerliches Hindernis, das sie höchstens vor wilden Tieren schützen mochte, nicht aber vor entschlossenen Angreifern. Die Leichtigkeit, mit der sie ihn überwunden hatten, musste die Menschen dennoch erschüttern.
Wer waren sie und wofür hielten sie sich, dass sie sich einbildeten, es mit elbischen Kriegern aufnehmen zu können? Heimtücke und Verrat waren ihre einzigen wirksamen Waffen. Auf diese hatten sie sich Harlianas Bericht zufolge auch diesmal verlassen, aber selbst das hatte ihnen nichts genutzt.
Warum überhaupt diese Feindseligkeit, diese ständigen Übergriffe und Zwischenfälle? Sie hatten doch bekommen, was sie wollten – König Lotharon war bereit, sie ihren eigenen Weg gehen zu lassen. Waren die Menschen von Natur aus wirklich so bösartig, aggressiv und feindselig, dass diese Eigenschaften nun sofort wider jede Vernunft ihr Handeln zu diktieren begannen?
Thalinuel wusste es nicht;
Weitere Kostenlose Bücher