Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
sie verspürte jedoch neben ihrem Zorn auch tiefe Trauer darüber, wie sich alles entwickelte. Trotz allem, was in der letzten Zeit geschehen war, gelang es ihr noch immer nicht, die Menschen zu hassen. Sie verstand sie nur einfach nicht – ihr Verhalten war so völlig unlogisch und selbstzerstörerisch.
Sie verdrängte diese Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das, was um sie herum geschah. Es waren nur wenige Menschen zu sehen. Frauen, Kinder und alte Leute verkrochen sich wohl in den Häusern, nur diejenigen, die Widerstand leisteten, hielten sich im Freien auf. Einige der Menschen hatten ihre Waffen weggeworfen und die Arme erhoben, zum Zeichen, dass sie sich ergaben. In ihren Gesichtern las Thalinuel nur Hoffnungslosigkeit und Schicksalsergebenheit.
Auf dem Wehrgang hingegen wurde noch gekämpft, und auch vor einem der Gebäude hatte sich ein Grüppchen von etwa zwanzig Menschen zusammengeschart und leistete ebenso aussichtslosen wie erbitterten Widerstand. Warum gaben auch sie nicht einfach auf? Waren sie so fanatisiert und von Hass zerfressen, dass sie sich lieber im Kampf töten ließen, statt sich zu ergeben? Oder trieb sie die nackte Angst vor Bestrafung dazu?
Sie mussten doch wissen, dass ihnen weder Folter noch Tod oder etwas anderes Schreckliches drohte. Elbenkrieger waren keine Mörder. So etwas entsprach in keiner Weise elbischer Art, und selbst Olvarian würde nicht so weit gehen. Er würde sicherlich eine Bestrafung fordern, aber eher eine Wiedergutmachung in Form von Geldzahlungen und Getreidelieferungen, vielleicht würde er auch zumindest die Rädelsführer vor ein Tribunal stellen, doch selbst dann drohte ihnen höchstens eine Haftstrafe.
Thalinuel wehrte einen Schwerthieb ab und sprang aus dem Sattel. Ihr Gegner war ein schmächtiger Mann und kaum geübt im Umgang mit dem Schwert. Sie drang auf ihn ein. Drei, vier wuchtige Streiche genügten, dann traf sie seine Waffe in einem solchen Winkel, dass er sie nicht mehr halten konnte. Sie wurde ihm aus der Hand geprellt und wirbelte durch die Luft. Mit einem Faustschlag streckte Thalinuel ihn nieder.
Mit Erleichterung sah sie, dass auch ihre Gefährten nach Möglichkeit versuchten, ihre Gegner nur zu entwaffnen und niederzuschlagen oder höchstens leicht zu verletzen.
»Ergebt euch endlich!«, brüllte Olvarian. »Oder wollt ihr, dass wir euch alle töten?«
»Ihr bringt uns doch sowieso um!«, keuchte einer der Männer, und ein anderer brüllte: »Mörder!«
Ihre Vorwürfe schnitten Thalinuel ins Herz. Dachten die Menschen mittlerweile wirklich so über ihr Volk? Wenn dem so war, dann mussten sie mit Lügen und Verleumdungen in einem Maß verblendet und aufgehetzt worden sein, wie sie es nicht für möglich gehalten hätte.
»Niemand, der sich ergibt, wird getötet«, versprach Olvarian. »Wenn wir euch umbringen wollten, hätten wir es schon längst tun können.«
Einige wenige Männer senkten tatsächlich die Waffen, aber erst, als die übrigen sahen, dass diese nicht direkt erschlagen wurden, ergaben auch sie sich schließlich.
»Warum lasst ihr uns nicht einfach in Frieden?«, stieß einer der Männer hervor, während er Olvarian sein Schwert vor die Füße schleuderte. »Wir wollen euch nicht länger. Könnt ihr euch nicht damit abfinden, dass eure Herrschaft über uns vorbei ist? Verschwindet von hier, ihr habt hier nichts verloren.«
»Ein Elb hat hier sein Leben gelassen«, erwiderte Olvarian in eisigem Ton. »Wir werden uns diese ständigen Übergriffe nicht mehr gefallen lassen, sondern hart durchgreifen.«
»Indem ihr harmlose Bauern attackiert?«
»Harmlos, allerdings. Wenn ihr es schon selbst einseht, warum handelt ihr nicht auch entsprechend? Im offenen Kampf habt ihr gegen Elbenkrieger keine Chance. Ihr könnt nur feige aus dem Hinterhalt angreifen.« Als sein Gegenüber erneut etwas sagen wollte, schnitt Olvarian ihm mit einer entschiedenen Handbewegung das Wort ab. »Ich habe keine Lust, darüber zu diskutieren. Um zu verhindern, dass sich solche Vorfälle wiederholen, steht dieses Dorf bis auf weiteres unter unserem Befehl. Gehorcht ihr, habt ihr nichts zu befürchten. Jeder Widerstand gegen unsere Anordnungen hingegen wird mit aller Härte gebrochen. Jetzt versorgt zunächst eure Verwundeten!«
Protestierendes Gemurmel erklang, aber niemand wagte es, offen zu widersprechen. Die Blicke der Menschen waren beinahe noch feindseliger als zuvor, doch zumindest dem Befehl, sich um ihre Verletzten zu kümmern,
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