Elbenschswert
Ring in der Wand festgebunden war, hätte
ein Hund sein können, wäre es nicht so groß gewesen –
allerdings der Albtraum von einem Hund. Lancelot wäre
nicht weiter erstaunt gewesen, wäre im nächsten Moment
ein leibhaftiger Drache über der Burgmauer erschienen.
Plötzlich wurde sich Lancelot der Tatsache bewusst,
dass er völlig deckungslos und für jedermann sichtbar unter der Tür stand und in seiner silbern blitzenden Rüstung
geradezu danach schrie, gesehen zu werden.
Hastig lief er los, wandte sich nach rechts und duckte
sich hinter einen der gewaltigen Trümmerbrocken, die den
Hof übersäten, so zahlreich und chaotisch, als wäre der
Himmel über der Burg zu Stein erstarrt und dann zusammengebrochen. Sein Herz klopfte noch immer vor Anspannung und er hatte wieder die Hand auf das Schwert
gelegt, zog sie nun aber zurück und löste nach einem weiteren Moment auch den Schild von seinem linken Arm,
um ihn auf seinem Rücken zu befestigen.
Die Zauberrüstung bot ihm keinen Schutz mehr. Nicht
hier und nicht vor diesen Männern. Sie stellte plötzlich
eher eine Gefahr dar, machte sie doch überdeutlich, dass
er ein Eindringling war, der nicht hierher gehörte.
Lancelot überlegte nur noch einen Moment, dann setzte
er den Helm ab, schlüpfte aus den Handschuhen und begann schnell und so leise er konnte die gesamte Rüstung
abzulegen. Mit jedem Stück, von dem er sich befreite, kam
er sich nackter und hilfloser vor, aber er arbeitete trotzdem
zügig weiter und trug schließlich nur noch das zerschlissene, baumwollene Unterkleid, in dem er vor so langer Zeit
Camelot verlassen hatte, um zu sterben. Der eingetrocknete Blutfleck dicht unter seinem Herzen erinnerte ihn auf
schmerzliche Weise daran, wie verwundbar er nun war.
Aber wenn er Gwinneth aus dieser Festung befreien wollte, so konnte er es keinesfalls mit Gewalt tun. Und irgendwie war er auch ein bisschen erleichtert. Er hatte den
Kampf im Hof des anderen Malagon nicht vergessen. Er
hatte schon zu viel Blut vergossen, nicht nur für einen
Tag, sondern vielleicht für ein ganzes Leben.
Er verbarg die Rüstung unter Steinen und Geröll, so gut
er konnte, richtete sich behutsam hinter dem Rand seiner
Deckung wieder auf und ließ seinen Blick erneut über den
gewaltigen Innenhof der Festung gleiten. Wie es aussah,
hatte er trotz allem Glück gehabt. Auch das Hauptgebäude
dieses Malagon befand sich ungefähr an der gleichen Stelle wie das des anderen und offensichtlich hatte er auch das
Gegenstück der Treppe in den Keller hinab genommen;
was hieß, dass er nicht allzu weit vom Eingang des monströsen Herrscherhauses entfernt war. Er wusste, dass er
keine Chance gehabt hätte, den Hof ungesehen zu überqueren, ganz egal ob mit oder ohne silberne Rüstung. So
aber waren es vielleicht zwanzig oder dreißig Schritte, die
er zurücklegen musste, und es gab auf dem Weg zu der
gewaltigen Treppe hinlänglich Deckung. Lancelot warf
noch einen Blick in die Runde, schickte ein Stoßgebet zum
Himmel, dass er sich noch ein einziges Mal auf sein Glück
verlassen könnte, und lief geduckt und von einem Trümmerstück zum nächsten huschend los. Als er die Hälfte der
Strecke hinter sich gebracht hatte, hielt er an und sah sich
vorsichtig und schwer atmend um. Niemand schien Notiz
von ihm genommen zu haben, nur der Albtraumhund hatte
aufgehört an seiner Kette zu zerren und starrte aus misstrauisch zusammengekniffenen, blutunterlaufenen Augen
in seine Richtung. Die Dunkelelben schien das jedoch
nicht zu interessieren, denn sie schenkten ihrem Wachhund nicht einmal einen Blick.
Lancelot lief weiter, hielt hinter dem letzten Mauerrest
vor der Treppe noch einmal an und nahm all seinen Mut
zusammen. So ruhig, wie er konnte, richtete er sich auf,
drehte sich herum und ging rasch, aber ohne zu rennen, die
Treppe hinauf. Er hätte die Strecke in einem Bruchteil der
Zeit zurücklegen können, aber ihm war klar, dass er vielleicht als jemand durchgehen konnte, der das Recht hatte,
sich hier aufzuhalten, wenn ihn einer der Dunkelelben nur
aus den Augenwinkeln oder von hinten sah; sein Gewand
war mittlerweile schmutzig genug, um schwarz zu erscheinen. Wenn er zu rennen begann, verriet er sich damit
selbst.
Furcht griff nach seinem Herzen, als er sich dem weit offen stehenden Tor näherte. Es war nur der Eingang zu einem Haus und doch war es größer als das Tor Camelots,
und Lancelot hätte seinen ersten Besuch auf der Tir Nan
Og nicht
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