Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor

schon bald. Und ich spreche hier nicht nur von den Barbaren. Hinter ihnen steckt eine weitaus gefährlichere Macht, deren größtes Vergnügen es wäre, unser beider Länder in einen Krieg gegeneinander zu hetzen, um hinterher das entstehende Machtvakuum selbst zu füllen. Wir haben nun endlich Beweise dafür, dass die Zwerge die Barbaren unterstützen, was auch bedeutet, dass sie Euch die ganze Zeit über belogen und ein falsches Spiel mit Euch getrieben haben.«
    Auf einen Wink hin reichte einer seiner Begleiter König Kalmar das Schwert und den Speer, die man in Waldhain bei dem toten Barbarenkrieger gefunden hatte.
    Von nun an folgte alles der Dramaturgie, die der Schattenmahr festgelegt hatte. Zum Schein weigerte sich König Kalmar zunächst zu glauben, dass die Zwerge einen so niederträchtigen Plan verfolgten, doch wurde er rasch empfänglicher für die Argumente und gab seinen gespielten Widerstand schließlich ganz auf.
    »Einen Verdacht hatte ich bereits seit Jahren«, behauptete er. »Aber solange es keine Beweise gab und sich ihre Waffen nicht gegen uns richteten … Die überfallenen radonischen Dörfer hätten sich auch nicht wehren können, wenn die Barbaren mit herkömmlichen Waffen angegriffen hätten, so schien sich der Schaden in Grenzen zu halten.«
    »Aber so wird es nicht bleiben. Die Barbaren verfügen über eine beachtliche Zahl von Kriegern, und mit solch hochwertigen Waffen ausgerüstet werden sie sich bald auch gegen Eure Dörfer wenden. Selbst ohne ein Umsiedlungsprogramm hat nach dem Angriff auf Waldhain jenseits der Grenze bereits eine Massenflucht nach Norden und Westen eingesetzt. Die Menschen fliehen in blinder Panik.«
    »Angesichts unser beider Heere werden die Wilden wohl kaum weitere Angriffe riskieren, weder diesseits noch jenseits der Grenze. Die entscheidende Frage ist, wie wir nun weiter vorgehen. Wenn wir in die Wälder eindringen, müssen wir uns selbst mit unseren vereinten Heeren auf eine lange und verlustreiche Suche mit ständigen Attacken aus dem Hinterhalt einstellen, mit der Gefahr, dass plötzlich ein Zwergenheer in unserem Rücken auftaucht oder dass alles möglicherweise sinnlos ist, wenn es den Barbaren gelingt, uns zu umgehen und in den Minen Zuflucht zu suchen.«
    Tajir nickte bedächtig.
    »Und was schlagt Ihr stattdessen vor?«
    »Wir sollten das Übel bei der Wurzel packen, und das größere Übel sind in diesem Fall die verräterischen Zwerge, die uns in einen Krieg gegeneinander hetzen wollen«, erklärte Kalmar. »Sind sie erst besiegt, können wir uns ihren Handlangern zuwenden, den Barbaren. Wir müssen mit vereinten Kräften einen Angriff gegen Elan-Dhor und Zarkhadul führen!«
    »Aber … das ist Wahnsinn!« Tajir sprang auf und blickte sich fassungslos um. »Die Zwerge sind zu zahlreich und zu stark, erst recht, wenn sie sich in ihren Minen verschanzen. Wir können ihre Felder verbrennen, können sie belagern und versuchen, sie auszuhungern, doch soweit ich gehört habe, bauen sie auch unterirdisch Lebensmittel an, sodass selbst damit ein Erfolg fraglich wäre. Aber wir werden es niemals schaffen, ihre Tore zu erstürmen!«
    »Es wird schwer, aber es ist nicht unmöglich«, widersprach Kalmar. »Vertraut mir. Wir haben mehr Verbündete, als Ihr glauben mögt, mächtige Verbündete, und darüber hinaus habe ich bereits einen Plan, wie wir die Zwerge entscheidend schwächen können. Hört zu …«
    »… und wenn es sich bewahrheitet, dass die Zwerge von Elan-Dhor und Zarkhadul, die wir für unsere Freunde gehalten haben, sich insgeheim mit den Barbaren verbündet haben und sie mit Waffen beliefern, die diese zu Angriffen gegen unsere Schiffe nutzen, dann kann das nicht ohne Konsequenzen bleiben. Wir Elben sind ein friedliches Volk. Selbst den alten Groll zwischen uns und den Zwergen glaubten wir überwunden, aber wenn sich herausstellt, dass unsere vermeintlichen Freunde wirklich für die grauenvolle Auslöschung ganzer Dörfer mitverantwortlich sind und ihretwegen womöglich erneut Kriege geführt werden, dann können wir dem nicht tatenlos zusehen.«
    Obwohl es eindeutig ihre Mutter war, die da auf dem Söller stand und zu ihrem Volk sprach, hatte Gelinian das Gefühl, den Worten einer Fremden zu lauschen. Und sie war nicht die Einzige, der es so ging.
    Zahlreiche Elben hatten sich auf der Wiese unterhalb des Söllers versammelt, um die Ansprache der Herrin Illurien an ihr Volk zu hören, die als außerordentlich wichtig angekündigt worden war.