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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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regelmäßig zu den Gesellschaften in seinem Haus. Wo war Ratsfrau Laiima? Und wo war der wortkarge Valdas, der ihr früher immer kandierte Pflaumen mitgebracht hatte, wenn er zu Glautas kam? Sie musterte die Gesichter der Räte und sah Sorge und Angst in ihnen. Und dann zählte sie die beiden Gruppen, während sie ihre Fingernägel in ihren Arm grub.
    Jemand sah sie an. Sie zog sich weiter in den Schatten der Türnische zurück, aber der Blick folgte ihr. Sie erwiderte ihn und erkannte Nekiritan, der neben ihrem Vater stand. Sein Gesichtsausdruck war leer, gerade so, als ränge er um Fassung. Er neigte sich zu Glautas und machte eine Bemerkung, die ihr Vater mit einem kurzen Seitenblick beantwortete. Dann sah er wieder Iviidis an und verzog den Mund zu einem Lächeln, ohne dass diese Regung auch seine Augen erreicht hätte, die immer noch beinahe betäubt blickten.
    Iviidis erwiderte das Lächeln nur mit einem Senken ihres Kopfes. Nekiritan sah sie noch eine Weile an, dann wandte er sich ab und sprach mit einer Nebenstehenden. Iviidis lockerte den Griff ihrer Finger, sie hatte sie so fest in ihren Oberarm gekrallt, dass es schmerzte. Ein Laut der Überraschung ließ sie herumfahren, und sie fand sich zu ihrer Überraschung in einer heftigen Umarmung wieder.
    »Iviidis«, hauchte Broneete in ihr Ohr. »Glautas hat nichts gesagt. Oh, wie bist du … Wo warst du nur?«
    Iviidis löste sich aus der Umarmung und drückte herzlich die Schulter der Gardistin, ein wenig erschrocken darüber, wie grau und erschöpft diese aussah.
    »Ich bin froh, dich zu sehen«, sagte sie leise. »Ich brauche jemanden, der mir erzählt, was ich alles verpasst habe, während ich … fort war.«
    Broneete schnitt eine Grimasse. »Du hast gesehen, wie es draußen aussieht?« Sie wartete Iviidis’ Nicken ab und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Jede Nacht seit dem letzten Vollmond brennen Häuser und werden Elben ermordet. Wir finden keine Spuren, und es gibt auch keinerlei Erklärung für die Vorkommnisse. Anscheinend will jemand, dass der Sommerpalast im Chaos versinkt – und so, wie es aussieht, gelingt es ihm blendend.« Sie sah sich um und flüsterte dann: »Aber letzte Nacht hat sich etwas Neues ergeben. Wir haben zum ersten Mal eine Spur: Ein Zwerg hat einen Elben schwer verletzt, und hinter dem sind wir jetzt her. Wahrscheinlich suchen die Zwerge wieder Streit!«
    Iviidis schüttelte müde den Kopf. »Vergiss den Zwerg, er hat nichts damit zu tun. Was ist mit den Dunklen?«
    »Welche Dunklen?«, fragte Broneete verwirrt.
    »Der von dir erwähnte schwer verletzte Elb zum Beispiel«, sagte Iviidis ungeduldig.
    Broneete starrte sie sprachlos an. Iviidis winkte ab. »Etwas anderes. Weißt du, warum so viele Ratsmitglieder nicht erschienen sind?«
    Broneete sah sie betroffen an. »Sie sind tot.«
    »Alle?«, flüsterte Iviidis. Sie war blass geworden. Broneete nickte.
    »Verehrte Ratsmitglieder«, ertönte da eine salbungsvolle Stimme. »Dürfte ich darum bitten, dass wir langsam beginnen? Unser viel beschäftigter Oberster Tenttai hat ja endlich auch geruht, sich zu uns zu gesellen, ich denke also, wir sind vollzählig.«
    »Ich muss zurück«, flüsterte Broneete und lief durch den Saal an Glautas’ Seite.
    Die Elben versammelten sich um den großen ovalen Tisch in der Mitte des Raumes. Iviidis sah ihnen zu und zählte noch einmal die Mitglieder der beiden Fraktionen. Die Grünsterne, Glautas’ Freunde und Verbündete, waren eindeutig in der Mehrheit, nun, da so viele Ratsmitglieder getötet worden waren. Iviidis drehte sich der Kopf. Broneete hatte zwar behauptet, die Morde seien wahllos geschehen, aber hier im Rat war ein deutliches Muster zu erkennen. So wie es aussah, war keiner von Glautas’ Freunden von den Anschlägen betroffen, abgesehen von Nekiritan, dessen Haus abgebrannt war. Aber Nekiritan hatte den Anschlag überlebt …
    Lauter werdende Stimmen lenkten ihre Aufmerksamkeit auf die Ratssitzung, deren ungeladener Gast sie war. Anscheinend ging es um die übermächtige Präsenz der Garde im Sommerpalast. Nekiritan versuchte, die aufgebrachten Ratsmitglieder zu besänftigen, aber es gelang ihm nicht.
    »Ich sehe nicht ein, warum ich einen gewöhnlichen Gardisten um Erlaubnis fragen muss, wenn ich mein Haus verlassen will«, gellte eine ältere Ratsfrau. Nekiritan murmelte etwas, das nur den empörten Ausruf »Dummes Gerede« hervorrief. Die Ratsmitglieder begannen, laut durcheinander zu rufen.
    »Bitte, meine Lieben«,

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