Elchmus (German Edition)
er dieses Mal alles richtig angehen muss. Er überspielt auch die neuen Fotos direkt aufs Laptop und macht zur Vorsicht noch weitere Sicherheitskopien. „Hey Alter, dieses Mal machst du Karriere und demnächst grinst du mit Meister Proper um die Wette“, hüpft sein Herz vor Freude ganz holprig.
Er hat irgendwann mal beschlossen, sich eine Tusse zu holen, wenn der Teppich raus ist. Das ist er jetzt ja. Gutgelaunt geht er nach draußen. Direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite ist ein Pub. Er nickt dem Barmann zu. Bestellt zwei Desperados und hält der scharfen Brünetten, die alleine an der Bar sitzt, eine Flasche hin, so als wären sie verabredet gewesen und können nun endlich ihr Date beginnen. (Gedated wird aber üblicherweise in England nicht. Mann und Frau gehen vielleicht zu einem Date. Sind sie dann aber in einer Beziehung, sehen sie sich lediglich oder gehen zusammen aus). Die lächelt ihn kokett an. „Desperados? Bist du besessen?“
„Eine heiße Braut wie du macht mich halt an“. Die Brünette reagiert und schiebt ihre Girlie-Zeitung weg. „Pippa hat es besser als Kate. Hat keine königlichen Verpflichtungen, aber die ganzen Vorteile. Knete wahrscheinlich inbegriffen. Nur der Name. Mancher muss schon Pippi, wenn er nur den Namen hört. Pippa ist kein Name. Sorry, aber ich muss mal“, und wackelt mit dem Arsch Richtung Klo. Holger kennt diese Art von Anmache und dackelt hinterher. Hebt sie gekonnt in der Kabine hoch. So hat er schon lange nicht mehr gepoppt. Hat Gott sei Dank starke Beine und hofft sofort inständig die Brünette nie mehr zu sehen.
Die laute Straße schluckt ihn kurze Zeit danach wieder. In London leben echt nicht viele Engländer, glaubt er immer mehr. Er schüttelt unzufrieden den Kopf. Auto fahren kann hier auch kein Sack. Dass es hupt, weil er auf der falschen Straßenseite läuft, bemerkt er nicht.
Und von Ralf und Elke hat er noch immer kein Lebenszeichen. Langsam stört ihn das gewaltig. Er will auch eine Liebe finden. Und haut sich selber auf die Schulter. Und scheint es dieses Mal ernst zu meinen. Er wird schon eine finden, die zu ihm passt.
Sein Zimmer ist echt ganz schön und sein Badezimmer wird es. Aber er wird den PVC-Boden noch nicht festkleben. Noch nicht. Die Fotomodelle wollen noch weiter posieren. Die 25 fährt laut unter seinem offenen Fenster vorbei. Er schließt das Fenster und der Käfer auf dem Fensterbrett macht ihm durch das Makro klar, dass er sein altes Leben endgültig erfolgreich verlassen hat. „Was für ein Prachtexemplar!“, spricht er laut in seine leere Bude. Stunden später kann er nicht mehr. Er wird heute keine Fotos mehr machen. Engländer nehmen sie. Und der Schlaf nimmt jetzt ihn.
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............ In St. Ives ist das Leben mehr als in Ordnung. Es gibt viele Galerien, Malschulen und Boutiquen, die schöne Dinge für schöne Zeiten im Leben verkaufen. Die Leute sind gelassen. Hier wird nicht den ganzen lieben Tag lang nur gemeckert. Das merkt man schon daran, dass ihn hier niemand abzocken will. Eigentlich will man am liebsten einen Job klarmachen hier und sich niederlassen. Für immer.
Elke düst schon wieder mit dem Surfbrett durch die Gegend. Er hat noch immer kein Brett und beschließt eine Kleinigkeit zu Futtern zu besorgen. „Jacket Potatos“. Kartoffeln im Mantel. Hier sind alle mehr oder weniger nackt. Als wäre er alleine für das Einkaufen zuständig. Dabei ist Elke eigentlich gar nicht faul. Ralf ist ungerecht und weiß das auch. Aber er hat schon wieder kein Brett von einer drallen Blondine angeboten bekommen, während Elke sich vor Brett-Angeboten kaum retten konnte.
Eine ältere Lady steht vorm Shop. Alleine. 3 Tüten vor sich. Ralf ist höflich. Mag diese Eigenschaft der Engländer ja auch. Die Lady nimmt seine Hilfe mehr als gerne an. Aber der Weg ist länger als erwartet und die Tüten werden immer schwerer. Ralfs Arme immer länger. Er kann sich das aber nicht anmerken lassen. Und überhaupt wird keine alte Lady 500 Meilen zum Shoppen gegangen sein. Andauernd überholen sie andere.
Die alte Lady dreht sich um. Immer wieder. Es gibt kein Mitleid. Mary will einfach nach Hause. Ihr kleines Bed & Breakfast hat Gäste. Junge Gäste, die froh sind, im Urlaub nicht um acht aufstehen zu müssen, weil sie sonst ihr bereits bezahltes Frühstück verpassen. Da hat sie Glück gehabt. Sie kann aber den Einkauf nicht mehr schleppen. Wegen ihres Rückens. Und das Auto nicht mehr fahren. Wegen ihrer Augen.
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