Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Max klopfte Fiona auf den Rücken.
»Nicht, dass du uns erstickst, weil du vergisst, Luft zu holen.«
Fiona starrte ihn entrüstet an.
»Es ist wirklich sehr hübsch«, sagte Maya
versöhnlich zu Fiona. Larin öffnete die Haustür und ließ sie eintreten. Sie
kamen durch eine winzige Diele in ein gemütliches Wohnzimmer. Alles war
blitzblank geputzt und ordentlich auf seinen Platz gestellt. Im Kamin lagen
sorgfältig aufgeschichtete Holzscheite, die nur darauf warteten, angezündet zu
werden. Die bequem aussehenden Polstersessel und das vergissmeinnichtblaue Sofa
waren etwas abgewetzt, und die Regale hatten Kratzer, aber Waltraud Ägidius
hatte das Holz mit Bienenwachs poliert, dass es glänzte und danach duftete. An
den Wänden standen Regale, die vollgestopft waren mit Unmengen von Büchern
– Bücher in allen Größen, Farben und in allen möglichen Sprachen. Sogar
auf dem Boden türmten sie sich in hohen Stapeln übereinander. Die Titel
lauteten beispielsweise ›Die Geschichte der Plattfüßigen Nebeltrolle‹ (von
Thaddäus Trolltrepp), ›Gibt es Mondkälber wirklich?‹ (von Stella Wolkenbruch)
oder ›Fliegenfischen leichtgemacht‹ (von Henning Fjord). Die Bücher waren wohl
die einzigen Dinge, denen es erlaubt war, sich außerhalb ihres angestammten
Platzes aufzuhalten. Überall standen Frühlingssträuße mit sonnengelben
Narzissen und bunten Tulpen, und auf jedem freien Platz waren Bilderrahmen
aufgestellt.
»Bist du das?« Maya betrachtete ein Foto in
einem Holzrahmen. »Das ist total süß!«
»Äh … das bin ich mit … keine Ahnung, jedenfalls
unter einem Meter Höhe.« Larin fand es ein wenig peinlich, als ›süß‹ bezeichnet
zu werden.
»Niedlich«, bestätigte Fiona.
»Ooohhh, ganz herzallerliebst, so ein niedlicher
kleiner Kerl und sooo hübsch«, stichelte Max und ging sicherheitshalber hinter
Fiona in Deckung.
In der Küche stand ein großer abgenutzter
Holztisch, an dem viele Gäste Platz nehmen konnten. Die Kupferpfannen und Töpfe
über dem Herd waren so blank gerieben, dass sie Max’ neugierig hineinblickendes
Gesicht widerspiegelten, allerdings grässlich verzerrt, so dass er abwechselnd
eine ellenlange Nase mit riesigen Nasenlöchern oder untertassengroße Augen
bekam.
»Oh, so ein hübscher Junge«, flötete Fiona
hinter ihm und wich geschickt einem Rippenstoß aus.
Larins Zimmer lag im ersten Stock und war nicht
ganz so ordentlich, aber ebenfalls sehr gemütlich. Die Einrichtung bestand aus
einem verschnörkelten schwarzen Eisenbett, einem schmalen Kleiderschrank mit
Holzwurmlöchern, zwei Regalen mit erstaunlich vielen Büchern und Krimskrams,
einem Eisentischchen mit zwei Stühlen und einem bequemen Sofa. An der
Deckenlampe baumelte eine Socke. »Die hab ich heute früh gesucht.« Larin
grinste, fischte sie herunter und warf sie in den Schrank. Wirklich
außergewöhnlich war ein großer Bogen an der Wand, wie die Elfen ihn benutzten.
»Boah, is ja toll!« Max stürzte sich sofort
darauf und nahm ihn ab. Er spannte ihn, kniff ein Auge zusammen und ließ
imaginäre Pfeile davonschnellen, bevorzugterweise in Fionas Richtung.
»Lass den Quatsch«, meinte sie streng, »und vor
allem, mach ihn nicht kaputt!«
»Das würde er vermutlich gar nicht schaffen, die
Bespannung ist enorm haltbar«, erläuterte Larin. »Sie besteht aus Einhornhaar.«
Nachdem Max Fiona oft genug erschossen hatte,
hing er den Bogen zurück und machte sich an die Durchsuchung der Regale. »Hast
du auch so Spielfiguren wie Elysander?«, fragte er betont beiläufig, da er
keinesfalls zugegeben hätte, dass ihm die kleinen Figuren nicht aus dem Kopf
gingen.
»Hatte ich mal«, winkte Larin ab, der sie erst
vor wenigen Wochen auf den Dachboden verbannt hatte.
»Ein wirklich schönes Haus«, bestätigte Fiona,
als sie wieder die Treppe hinunter stiegen.
»Danke, ich werd’s meinen Eltern ausrichten.«
Maya war ein bisschen wehmütig ums Herz. ›Wie
schön muss es gewesen sein, hier aufzuwachsen‹, überlegte sie sehnsüchtig. ›In
so einem Haus und mit solchen lieben Menschen …‹ Sie rief sich das
Waisenhaus ins Gedächtnis und wie schrecklich es dort in letzter Zeit gewesen
war. – Dann erschrak sie über sich selbst. Wie konnte sie ihn um das hier
beneiden! Larins Eltern und seine Verwandten waren ermordet worden. Nur um
Haaresbreite hatte er überlebt! Sie schüttelte den Anflug von Selbstmitleid ab
und schritt durch die hölzerne Gartenpforte zurück auf den Weg.
»Es ist richtig
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