Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
immer fester an ihn, weil sie wusste, dass es bald mit ihrer Zweisamkeit zu Ende war. Und abends lauschten sie erst lange eng umschlungen dem Herzschlag des anderen, bis sie einschlafen konnten.
Am Nachmittag vor ihrer letzten Nacht, bevor sie Moray erreichen sollten, lenkte Jadora Eleas Aufmerksamkeit in nördliche Richtung. Dort war ein breites, grau-weißes Band am Horizont zu erkennen: das Akrachón-Hochgebirge. Also dort hält sich höchstwahrscheinlich mein Drache versteckt. Die Gipfel des Gebirges waren mit Schnee bedeckt. Elea hatte zuhause schon ein paar Mal Schnee gesehen, aber nur so wenig, dass die Landschaft aussah, als wäre sie mit einer dünnen Zuckerschicht bestäubt. In ihrem Traum von dem Drachen konnte sie sich merkwürdigerweise noch genau daran erinnern, was es für ein Gefühl war, durch eine dicke Schneedecke zu waten. Vor allem hatte sie dieses knirschende Geräusch noch in den Ohren, das dabei zu hören war.
Man konnte jetzt schon aus dieser Entfernung sehen, wie gigantisch hoch der Akrachón war. Elea, die wieder vorne bei Maél saß, warf ihm einen besorgten Blick zu. Er konnte unschwer ihre Gedanken lesen, wusste aber nicht wie er ihre Sorgen vertreiben konnte, da er sich auch schon wegen des Gebirges den Kopf zerbrochen hatte. Deshalb drückte er die junge Frau nur fester an sich. Das Problem des Akrachón hatte er erst einmal weiter hinten in der langen Reihe von Schwierigkeiten angesiedelt. Erst musste er einmal die Probleme lösen, die in Moray auf ihn warteten. Es gab jedoch noch etwas, das er bis zum letzten Tag vor sich hergeschoben hatte, das aber nun erledigt werden musste – so schwer es ihm auch fiel.
Die Abenddämmerung war bereits angebrochen, als die Reitergruppe einen Platz – geschützt unter Bäumen – für ihr Nachtlager fanden. Kaum waren alle abgestiegen, entfernte sich Maél mit Elea etwas von den Kriegern. Er wollte es jetzt endlich hinter sich bringen. Er holte tief Luft, während seine Hände auf ihren Schultern ruhten. Elea war sofort in Alarmbereitschaft. Sie merkte ihm seine außerordentliche Anspannung an. Irgendetwas schien ihn enorm zu belasten. Als würde er einem kleinen verängstigten Kind etwas erklären, begann er mit sanfter Stimme zu sprechen. Das leichte Zittern in ihr war unüberhörbar. „Elea,... du weißt ja inzwischen, dass du nicht mein erstes Opfer bist. Allerdings bist du die erste Frau, die ich für König Roghan eingefangen habe. Ich habe ihm schon viele Männer gebracht, die ich meine Härte und... Gewalttätigkeit spüren ließ...“ Maél musste eine Pause machen, in der er seine Hände von Eleas Schultern nahm und sich die Haare wie wild raufte. Elea erriet sofort, was er sagen wollte. Mit belegter Stimme sprach sie für ihn weiter. „Ich sehe, wie das blühende Leben aus, während du deine früheren Gefangenen immer mit sichtbaren Misshandlungen dem König ausgeliefert hast.“ Elea schluckte gegen einen Kloß in ihrer Kehle an, der hartnäckig blieb, wo er war. Maél war ebenfalls unfähig, etwas auf ihre Worte zu erwidern. Er nickte nur sehr langsam. Endlich fand Elea wieder die Kraft, leise weiter zu sprechen. „Du musst mich schlagen, damit wir keinen Verdacht erregen, nicht wahr?!“
„ Wer muss wen schlagen?“, wollte Jadora wissen, der sich den beiden genähert und die letzte Äußerung Eleas aufgeschnappt hatte. Maél streichelte mit seinem Daumen die Narbe, die halb unter ihrem Kopftuch versteckt war und sah ihr tief in die angsterfüllten, aber gefassten Augen. Dann sagte er zu Jadora gewandt: „Jadora, du weißt ganz genau, dass ich Elea in diesem unversehrten Zustand nicht König Roghan übergeben kann. Ihre Narbe an der Schläfe ist so gut wie verheilt. Sie könnte genauso gut von einem Unfall stammen, bevor ich sie gefangen genommen habe.“ Jadora war im ersten Moment so bestürzt über das, was er gerade im Begriff war zu begreifen, dass ihm die Worte fehlten. „Die Narben auf meinem Rücken können wir dir schlecht anhängen. Du besitzt keine Peitsche“, gab Elea zu bedenken. Bevor Maél etwas erwidern konnte, hatte Jadora seine Fassung wieder gefunden, griff ihn grob an die Schulter und drehte ihn zu sich um. „Sag, dass das nicht wahr ist! Du hast tatsächlich vor, sie zu schlagen? Ich dachte, du liebst sie. - Aber natürlich! Wenn jemand dazu fähig ist, die Frau zu schlagen, die er liebt, dann du“, schleuderte der Hauptmann ihm verächtlich ins Gesicht. Es fehlte nicht mehr viel und er hätte ihm
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