Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
versorgen!“ Elea verschluckte sich fast an ihrem letzten Bissen. „Zieh deine Jacke aus und leg dich einfach auf den Bauch! Ich mache den Rest.“ Die junge Frau tat wie ihr geheißen. Maél kramte unterdessen in ihrer Tasche nach dem Tiegel. Dann schob er vorsichtig die beiden Hemden und das Unterhemd ihren Rücken hoch. Während er ihr behutsam die Salbe auf die dicken Striemen strich, löste Elea das Unterhemd von ihrem Kopf. Es war schon dunkel genug, sodass ihr Haar glühte. Sofort stieg Maél der intensive Duft von Rosen und Lavendel in die Nase, der für ihn inzwischen untrennbar zu Elea gehörte. Als er mit dem Einsalben fertig war, konnte er nicht widerstehen, eine wellige Strähne ihres Haars zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen und ihre Weichheit zu fühlen. Elea wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Sie ließ ihn gewähren, bis er sie abrupt losließ und dabei tief einatmete. „Maél, ich...“, setzte Elea zögernd an, aber Maél unterbrach sie sogleich. „Dein Haar verändert sich.“
„ Da sagst du mir nichts Neues.“
„ Dass es viel zu schnell wächst, meine ich nicht. Der dunkelbraune Farbton geht immer mehr in einen rötlichen über und außerdem werden sie immer lockiger.“
„ Glaube mir, mein Haar ist, seit ich denken kann, ein Mysterium für mich. Mich kann gar nichts mehr überraschen“, sagte Elea in resigniertem Ton und wickelte wieder ihr Unterhemd um den Kopf. „Und was hat dieser Stein, den du um den Hals trägst, für eine Bedeutung?“
„ Er ist von meinen Eltern. Was er bedeutet, weiß ich auch nicht“, sagte sie mit etwas belegter Stimme. „Also von deinen leiblichen Eltern und nicht von Albin und Breanna?“ Elea nickte nur. Maél schaute ihr erwartungsvoll in die Augen, gespannt darauf, was Elea dazu noch zu sagen hatte. Doch die junge Frau schwieg beharrlich. „Was ist mit ihnen geschehen? Wie bist du bei Albin und Breanna gelandet?“, fragte er schließlich neugierig. Glücklicherweise kam Jadora im richtigen Moment, sodass sie auf die Fragen nicht antworten musste. Auf die erste wusste sie ohnehin keine Antwort. „Es dauert noch eine Weile, bis unser Festessen fertig ist“, verkündete der Hauptmann gutgelaunt. Elea blies daraufhin empört die Luft aus, nahm ihren Rucksack und ging ans Flussufer, um etwas alleine zu sein. Maél und Jadora sahen ihr nach.
„ Sie hat Geheimnisse. Das steht fest. Aber lange wird sie sie nicht vor mir hüten können. Ich kriege noch heraus, was es ist“, sagte Maél, wie zu sich selbst. „Wenn du mich fragst, dann hat es sicherlich etwas mit Roghans außerordentlichen Aktivitäten entlang der Grenze zu Boraya und seinen unermüdlichen Rekrutierungen zu tun. Roghan ist ein ehrgeiziger und vor allem machthungriger Mann. Jetzt, nachdem der jahrzehntelange Wiederaufbau nach dem Krieg abgeschlossen ist, ist er in der Lage sein Königreich zu vergrößern. Er würde nicht einmal davor zurückschrecken, dies mit Gewalt zu erreichen. Allerdings weiß ich nicht, wie eine junge Frau ihm da in irgendeiner Weise von Nutzen sein kann, auch wenn sie mit Pfeil und Bogen besser umgehen kann als die meisten Männer.“ In ihr steckt noch viel mehr. Wahrscheinlich weiß sie selbst noch nicht, wozu sie imstande ist.
Elea hörte Maéls und Jadoras Stimmen vom Ufer aus. Sie unterhielten sich angeregt, was mit Maél als Gesprächspartner an ein Wunder grenzte. Sie sahen immer wieder zu ihr zum Fluß hinüber. Also schienen sie, über sie zu reden. Worüber sie sprachen, interessierte sie jedoch nicht im geringsten. Sie verspürte auf einmal eine unbändige Lust, sich zu bewegen. Sie sehnte sich so danach, ihren Herzschlag in die Höhe zu jagen, ihre Atmung im Kopf dröhnen zu hören und ihre Muskeln bis zum Zerreißen anzuspannen, dass sie sogar bereit war, dies unter ihre immer noch anhaltenden Schmerzen zu tun. Rasch erhob sie sich und rannte zu den Männern. „Maél, ich muss mich bewegen. Ich werde ein wenig am Flussufer hin und her rennen. Es ist ja für dich kein Problem, mich bei der Dunkelheit im Auge zu behalten, falls du es überhaupt für notwendig hälst.“ Sie wartete gespannt auf eine Reaktion des Mannes, der sie lange stumm betrachtete. „In Ordnung. Aber entferne dich nicht zu weit von mir. Nicht, dass wieder irgendwo Räuber auf der Lauer liegen und nur auf die richtige Gelegenheit warten, dich zu entführen“, sagte er halb im Scherz, wobei der Ernst, der in seiner Stimme mitschwang, nicht zu überhören
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