Elementarteilchen kuessen besser
Letzteres war nämlich nichts Neues.
Betty, Simon und ein paar seiner Kollegen stürzten sich gleich ins Gewühl, wohingegen Anna und Linda sich an den Kleiderständern im Eingangsbereich umsahen. Linda war nicht wirklich glücklich über das Kostümfest. Sie hatte Fasching noch nie gemocht, auch als Kind nicht.
Gerade als Kind nicht.
Aber was sollte sie heute sonst tun? Alle gingen hin. Auch Philipp. Nachdem er mit ihr bei einem kurzen Abstecher an Land den festen Boden von Puerto Rico genossen hatte (in San Juan waren sie gar nicht erst gewesen), war es ihm schon bedeutend besser gegangen. Umso mehr freute sich Philipp auf das Fest, weshalb sie keine Spaßbremse sein und in normaler Kleidung auftauchen wollte.
Philipp ... Die letzten Tage waren vorbeigerauscht wie ein sich immer schneller drehendes Karussell: rasend schnell und verwirrend. Und trotzdem waren manche Situationen oder Ereignisse so langsam und intensiv abgelaufen, dass sie sich wie unter einer Lupe in der Sonne für immer in ihr Gehirn eingebrannt hatten.
Sie musste daran denken, wie sie den heutigen Tag miteinander verbracht hatten. Gemütlich auf dem Balkon, mit einem kurzen Ausflug an Deck. Danach eine gemütliche Stunde an einem schattigen Plätzchen an Land. Sie hatte sich in seiner Gegenwart seltsam ruhig gefühlt. Dann wieder aufgeregt wie vor einer wichtigen Prüfung, wenn sie in seinen Armen lag und er sie küsste. Doch immer hatte sie das Gefühl gehabt, dass es genau so sein musste. Die Behaglichkeit ähnelte der vor einem knisternden Kaminfeuer. Züngelnde Flammen, die erregten und gleichzeitig die Gemüter beruhigten. Und dann diese wohlige Wärme ...
Philipp war ihr knisterndes Kaminfeuer an einem kalten, regnerischen Tag.
Sie überlegte. Philipp hatte ihr vor zwei Tagen gestanden, dass er gerade dabei war, sich in sie zu verlieben. Sie hatte sich zwar sehr darüber gefreut, doch seither hatte er keine diesbezüglichen Bemerkungen mehr gemacht. Nicht, dass sie darauf gewartet hätte ...
Wem willst du was vormachen , stichelte eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf.
Trotz allem war sie sich unsicher, was das zu bedeuten hatte. War das damals nur eine hingeworfene Bemerkung gewesen? Oder hatte er es ernst gemeint? Aber warum hatte er bisher nichts mehr gesagt?
Was sie selbst betraf, wagte sie nicht, über ihre Gefühle nachzudenken. Sie hatte so etwas noch nie erlebt. Sie war immer noch zu sehr damit beschäftigt, sich an diese aufregenden Empfindungen zu gewöhnen.
Sie blickte sich neugierig um. Das Angebot an verschiedenen Kostümen hier beeindruckte sie wirklich: Von Cleopatra-Gewändern über Cowboy-Bedarf bis hin zu Gespensterüberwürfen war alles vorhanden. Hinter einer Theke, an der man sich bei der Ausleihe registrieren lassen konnte, standen unzählige Schachteln, die anscheinend zusätzliche Utensilien beinhalteten: Hüte für Gangster, Kronen für Prinzessinnen, Zauberstäbe für Hexen, rote Nasen für Clowns.
Anna drehte sich strahlend zu Linda um und zeigte ihr ihre erste Wahl: das Kleid von Schlumpfinchen komplett mit blonder Perücke, Hut und Blume.
„Das passt mir garantiert“, meinte sie lachend und schlug sich auf die runden Hüften. „Als Kind hab ich Schlumpfinchen geliebt.“ Sie kam zu Linda rüber. „Schade, dass Philipp nicht mitgekommen ist. Holt er sich später ein Kostüm?“
„Vermutlich. Er wollte erst noch ein bisschen Kräfte sammeln. Zur Not würde er Simon schicken, hat er gesagt. Auf keinen Fall wollte er, dass ich ihn vorher schon zu Gesicht bekomme. Oder er mich. Er wollte sich überraschen lassen.“
„Das ist ja fast wie mit dem Brautkleid am Hochzeitstag“, murmelte Anna. „Hast du schon was gefunden?“
„Mmh, ich kann mich nicht entscheiden. Ich würde ja am liebsten als Albert Einstein gehen, dann könnte ich Desirée ärgern, weil sie glaubt, ich wollte meinen Intelligenzquotienten künstlich hochschrauben, um besser mit Philipp mithalten zu können. Aber so ein Kostüm hab ich noch nicht entdeckt.“
„Viel Glück noch beim Suchen. Ich gehe meins mal ausleihen, es ist an der Theke gerade wenig los“, sagte Anna hastig und zog los.
Linda schlenderte noch weiter in den Raum hinein und schaute die ausgehängten Kostüme durch.
„Schon was Passendes gefunden?“, fragte eine Stimme, die sie unter Tausenden wiedererkannt und auf die sie gerade jetzt mit Vorliebe verzichtet hätte. Sie drehte sich zu Desirée um, die mit einem spöttischen Lächeln vor ihr stand, eine
Weitere Kostenlose Bücher