Elementarteilchen kuessen besser
„Wenn ich ehrlich sein soll, möchte ich gerade überhaupt nicht mehr über dieses Thema sprechen. Am liebsten würde ich allem den Rücken zukehren und einfach nur noch in Ruhe gelassen werden. Wirklich Lust auf einen Ausflug habe ich überhaupt nicht mehr. Aber den ganzen Tag auf dem Schiff rumsitzen möchte ich auch nicht, weil mir sonst bei meinem Glück noch Philipp über den Weg läuft. Schon alleine heute Morgen hatte ich ständig Angst, dass er an meine Kabinentür klopft und mir alles erklären möchte.“ Sie seufzte.
„Weißt du was?“ Anna lächelte, weil sie eine gute Idee hatte. „Pack alles ein, was du für den Ausflug brauchst, setz dich auf ein ruhiges Deck und warte, bis ich dich auf deinem Handy anrufe. Dann ist die Luft rein und fast alle Passagiere sind von Bord gegangen. Und wir können uns ein paar ruhige Stunden an Land machen. Wie hört sich das an?“
„Das wäre nicht schlecht“, seufzte Linda dankbar.
„Möchtest du noch frühstücken?“, fragte Betty fürsorglich, die immer und zu jeder Zeit essen konnte.
„Nein danke, mir ist der Appetit vergangen.“
„Das kann ich mir gut vorstellen“, meinte Anna verständnisvoll. „Und jetzt geh und mach dich fertig. Ich melde mich dann bei dir, wenn wir von Bord können.“
Elfter Tag – mittags
Doch er ist 'n Freund von mir
und er will zurück zu dir. 2/2
Als Lindas Handy klingelte, waren fast eineinhalb Stunden vergangen. Sie stand von der Liege auf und begab sich zum Auschecken zur Gangway. Von Weitem winkte ihr Anna zu. Neben ihr stand aber auch Betty, die ihr ebenfalls entgegenlächelte.
Als Linda bei ihren Freundinnen ankam, fragte sie Betty fast schon entsetzt: „Warum bist du nicht bei Simon? Ich dachte, nur Anna und ich gehen zusammen an Land.“
„Dir geht es nicht gut. Außerdem hast du heute Geburtstag. Deshalb habe ich Simon gesagt, dass ich mich um dich kümmern möchte. Es war sein Vorschlag, mit seinen Kollegen statt mit uns an Land zu gehen, da sein Anblick dich ständig an Philipp erinnern würde.“
„Aber du kannst doch nicht einen dieser letzten wertvollen Tage mit Simon opfern! Nur wegen mir. Das möchte ich nicht.“ Linda bekam schon wieder feuchte Augen und hasste sich dafür. Aber Betty konnte doch nicht solch ein Opfer für sie bringen!
„Zu spät. Du bist mir wichtiger als Simon. Also, sei ruhig und check aus, damit wir endlich nach ... wie heißt die Insel noch mal? Yabbadabbadoo?! ... können.“
Labadee war eine wunderschöne Halbinsel mit flachen Sandstränden, Palmen und bewaldeten Bergen, die bis ans Meer reichten. Doch Linda hatte an diesem Tag keinen Sinn für die Schönheiten der Insel. Immer wieder wurde sie von Anna oder Betty aus einem Zustand gerissen, der besser in einen Meditationskurs gepasst hätte als auf eine Südseeinsel. Manchmal wurde sie auch bei einer inneren Diskussion mit Philipp gestört, die wie immer zu nichts führte.
Nachdem sie über den Pier an Land gegangen waren, hielten sich die drei am Rand des Strandes unter den Schatten spendenden Bäumen auf und machten es sich auf Picknickdecken gemütlich, um die Jet-Ski-Fahrer oder die bunt gekleideten, fliegenden Händler zu beobachten, die den Strand entlangschlenderten. Linda wollte Philipp nicht in die Arme laufen und sich von der kurzen Nacht ein bisschen erholen.
Da es in Haiti zu viele Unruhen gab, war der Strand für Kreuzfahrttouristen eingezäunt worden und wurde bewacht. Anna hatte sich empört ausgelassen über die extremen sozialen Unterschiede von schlimmster Armut und perverser Zurschaustellung von Reichtum durch einen Luxusdampfer vor der Küste. Aber Linda hatte nicht zugehört. Sie war ihren eigenen Gedanken nachgehangen und hatte vor sich hingedöst.
Als sie sich schon eine Weile im Schatten aufgehalten hatten, nahm Anna Lindas Hand und meinte: „Wir haben Neuigkeiten für dich, wollten aber warten, bis wir das in Ruhe besprechen können.“
Lindas Blick bekam einen gehetzten Ausdruck.
„Beruhige dich und hör zu.“ Diesmal übernahm Anna das Reden. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? „Als du weg warst, klopfte Philipp bei uns an die Tür und fragte nach dir. Er sah ziemlich aufgewühlt aus und wollte dich unbedingt sprechen. Wir sagten ihm, dass du im Moment nicht mit ihm reden und deine Ruhe haben möchtest. Erst wollte er nicht mit uns über eure Angelegenheiten sprechen. Aber als er merkte, dass wir ihm nicht sagen würden, wo du bist, hat er doch eingelenkt. Er meinte,
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