Elementarteilchen kuessen besser
es im Zusammenhang mit einer Urlaubsreise noch nie erlebt hatte.
Sie blickte auf die malerische Küste Kubas im goldenen Morgenlicht, in deren Hintergrund sich dunkle Berge gegen den tiefblauen Himmel abhoben. Rechter Hand lag die Einfahrt zur Bucht, die nun den Blick auf das offene Meer preisgab. Das Wasser war spiegelglatt und von einem dunklen Blau. Nur ein kleines Fischerboot zog eine Schneise durch das ruhige Wasser, um sich der bunten Betriebsamkeit des örtlichen Hafens zu nähern. Über alle Maßen mit sich und der Welt zufrieden genoss sie vor diesem Panorama ein leichtes Frühstück, während sie gedankenverloren mit ihrem fest zusammengedrehten Dutt spielte.
Auch wenn ihr die Decke ihrer Zweizimmerwohnung zuhause gelegentlich auf den Kopf fiel und sie deshalb die Gesellschaft netter Menschen durchaus suchte, brauchte sie dennoch hin und wieder ein paar ruhige Minuten für sich, in denen sie ihren Gedanken nachhängen konnte. Und dies war der perfekte Moment.
Sie hätte ja liebend gerne an einem der organisierten Ausflüge teilgenommen. Man brauchte sich um nichts zu kümmern, wurde zu den Sehenswürdigkeiten gefahren und wieder zurück zum Schiff. Das empfand Linda als sehr angenehm und beruhigend. Alles war geregelt.
Genauso war in ihrem Leben alles Wichtige geregelt und ordentlich geordnet. Nicht nur Lindas Unterwäsche im Schrank und ihre Steuerunterlagen im Ordner, sondern auch alle beruflichen und privaten Termine, ihre Freizeit und ihre sportlichen Aktivitäten.
Ordnung bedeutete für Linda Sicherheit. Ihre Mutter hatte in einem Gewaltakt biblischen Ausmaßes Haushalt, Karriere und ihr einziges Kind unter einen Hut gebracht. Und sie war mit ihren perfektionistischen Ansprüchen auf allen drei Gebieten mehr als erfolgreich gewesen. Lindas Vater war seiner Frau dabei keine große Hilfe, da er kein Gespür für praktische und alltägliche Dinge hatte und einem zerstreuten Professor nicht ähnlicher sein konnte als ein Ei dem anderen.
Und obwohl sie die indoktrinierte Lebensweise ihrer Mutter als Jugendliche gehasst und sich dagegen aufgelehnt hatte, fühlte sie sich in einer geordneten Welt trotzdem auf angenehme Weise aufgehoben. Vielleicht liebte sie genau aus diesem Grund auch die Mathematik, in der es feste Regeln, klare Ordnungen und logische Strukturen gab. Eins plus eins ergab immer zwei, egal, wie man es drehte und wendete. Es gab keine Überraschungen.
Linda seufzte leise. Wenn Betty und Anna auf einen spontanen Ausflug im Alleingang bestanden, würde sie ihren Freundinnen zuliebe mitmachen – auch wenn sie davon wenig begeistert war. Aber sie würde es schon überleben. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, wie sie es sich vorstellte, tröstete sie sich.
Als sie schon aufstehen wollte, bemerkte sie am anderen Ende des großen Raumes Philipp Graf, der mit einem Glas Tee und einem Stückchen Brot auf einen kleinen Tisch zusteuerte.
Ein bisschen blass war er schon, fand Linda, was aber auch an der Entfernung und den Lichtverhältnissen liegen konnte. Na, der muss ja einen mordsmäßigen Kater haben, wenn er von dem reichhaltigen Frühstücksangebot nur Tee und ein Stück trockenes Brot runterbekommt , dachte sie und war froh, dass sie so weit von ihm entfernt saß. Vermutlich hatte er sich in der letzten Nacht mit seinem Spielzeug etwas übernommen, getreu dem Motto: Toll trieben es die alten Römer.
Da er sich mit dem Rücken zu Linda an einen Tisch setzte, konnte sie sich entspannen und – ohne gesehen zu werden – durch den zweiten Ausgang des Restaurants verschwinden, um ihre zwei Freundinnen aus den Federn zu schmeißen.
Dritter Tag – tagsüber
Ich hör ihr zu und schau sie an,
weil ich mir nicht mehr vorstellen kann,
dass wir mal unzertrennlich waren. 3/6
„Oh, schau nur!“ Desirée zeigte mit ihrem schlanken Finger auf die Engelsfigur, die die Kathedrale von Santiago de Cuba zierte. „Wie schön.“
Sie schlenderte mit Philipp und einigen Hundert anderen Passagieren, die sich für den Ausflug angemeldet hatten, über den Platz vor der Kathedrale. Im Schatten einiger Bäume saßen Menschen auf Bänken, die eine Pause von der heißen Sonne Kubas brauchten.
„Es ist schön, dass es dir wieder besser geht. Und dass ich diese Reise mit dir verbringen kann, Philipp. Du hast mir in Rom gefehlt. Und danach waren wir beide so eingespannt, dass ich dich kaum zu Gesicht bekommen habe.“ Sie lächelte ihn süß von unten herauf an.
„Ja, das stimmt. In der Firma war in
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