Elementarteilchen kuessen besser
Privatführer produziert hat. Geschichtsinteressierte Fachidioten als Eltern sind manchmal wirklich eine Strafe.“ Sie seufzte kurz, als sie merkte, dass sie von dem Status eines Fachidioten auch nicht mehr so weit entfernt war. „Historische Bauten, alte Ruinen und gut erhaltene Schlösser gehörten auch zu den beliebtesten Ausflugszielen auf unseren Reisen – egal ob in Griechenland, Italien, Frankreich oder England. Ich kann dir sagen, aus wie vielen Steinen das Kolosseum in Rom gebaut worden ist oder wie hoch genau die Akropolis in Griechenland ist. Da war nichts mit Ausruhen und Entspannen. Oh, nein! Der Jahresurlaub dient ausschließlich der geistigen Fortbildung, wie meine Eltern immer sagten.“ Linda machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr: „So absonderlich meine Eltern schon immer waren, wundert es mich auch nicht, dass sie einen ebenso abstrusen Namen für ihr einziges Kind ausgesucht haben. Als wenn sie mich für etwas bestrafen wollten – obwohl ich mir sicher bin, dass meine Mutter es in ihrer Liebe zu Wagners Ring der Nibelungen nur gut gemeint hat.“
„Deshalb nennst du dich schließlich auch Linda“, meinte Betty, während sie an ihrem Cocktail schlürfte und einem gut gebauten, männlichen Passagier in knapp sitzender Badehose nachblickte.
Und Anna fand mit einem Lächeln in den Augen auch noch einen tröstlichen Gedanken: „Aber durch all die Reisen hast du wenigstens etwas von der Welt gesehen – und Betty und ich haben dich immer als unseren privaten Kunstführer dabei, wenn wir mal zusammen unterwegs sind.“
Linda lachte. „Da hast du schon recht – ihr habt wirklich Glück. Aber ich kannte es als Kind nicht anders. Deshalb müsst ihr mir auf dieser Reise einfach etwas Zeit geben. Allein die Vorstellung, mich faul auf einer Liege in der Sonne zu räkeln, jagt mir ungeahnte Schauer über den Rücken. Ein ungewohnter Gedanke.“ Linda schüttelte sich leicht, woraufhin Betty und Anna zu lachen begannen.
„Und wie willst du deinen ersten Tag nun verbringen?“
Linda überlegte. „Ich glaube, ich werde jetzt erst einmal eine Kleinigkeit essen, mich danach kurz hinlegen, um mich schon mal langsam an die sonderbare Untätigkeit zu gewöhnen, und dann im Fitness-Zentrum vorbeischauen. Vielleicht haben die dort ein paar Geräte, an denen ich meine überschüssige Energie abbauen kann. Danach werde ich wohl in einen der Whirlpools hüpfen, um mich danach richtig durchkneten zu lassen.“
„Das hört sich gut an – bis auf das Fitness-Zentrum. Meinst du, ich darf mich dir anschließen oder möchtest du lieber deine Ruhe haben?“, fragt Anna.
„Nein, ich würde mich über deine Gesellschaft sehr freuen“, lächelte Linda ihrer Freundin zu. „Und was machst du, Betty?“
„Ich werde mal den Markt sondieren, ob es auf diesem Schiff ein paar sexy Kerle gibt, die größenmäßig wenigstens mit mir mithalten können. Die kleineren Exemplare sollten sich mal an meiner Größe ein Beispiel nehmen und sich bei Regen auf den Misthaufen stellen, damit sie Dünger von unten kriegen und besser wachsen.“
Endlich ging es ihm etwas besser. Noch nicht gut, aber doch immerhin stabiler als am Anfang der Reise.
Tagsüber hatte er immer wieder versucht, sich in eine ruhige Ecke an Deck zurückzuziehen, um sich die frische Luft um die Nase wehen zu lassen. Leider schien er aber immer wieder vom Pech verfolgt, da es selbst dort manchmal zuging wie auf einem marokkanischen Basar. Und das vertrug er heute einfach noch nicht! Schließlich war er wieder in seiner Kabine gelandet und hatte versucht, ein Buch zu lesen.
Während er sich nun die Hände in seinem klitzekleinen Badezimmer wusch, schaute er in die müden Augen, die ihn aus dem Spiegel anblickten. Seine Gesichtsfarbe ähnelte zwar noch fatal an ein Stück alten Camembert, dennoch ging es ihm schon deutlich besser als am Abend zuvor. Mit zwei Händen schaufelte er sich kaltes Wasser ins Gesicht, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen.
Das Abendessen heute würde er sich zur Sicherheit in seine Kabine schicken lassen. Er traute der Stabilität seines Magens noch nicht, was die unterschiedlichen Ausdünstungen der Warmhaltebehälter im Speisesaal anging. Eine leichte Suppe mit etwas Brot. Das sollte genügen.
Morgen würde er allerdings am Ausflug nach Santiago de Cuba zusammen mit seinen Kollegen teilnehmen, komme, was da wolle. Er hoffte nur, dass mit seiner Rückkehr auf das Schiff nachmittags nicht auch die Übelkeit
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