Elementarteilchen kuessen besser
Philipp.
„Als ich dich vorgestern niedergeschlagen habe.“
„Ach so. Nein. Zum Glück nicht.“ Sie spürte seinen ruhigen Blick auf sich und fühlte sich etwas unwohl.
Es war doch unglaublich. Beim Basketball und den Animationsspielen hatte sie sich in Philipps Gegenwart deutlich wohler gefühlt. Da war es auf körperliche Aktion angekommen, bei der man nicht viel falsch machen konnte, wenn man sich an die Spielregeln hielt. Als es darum ging zu siegen, hatte Linda der Eifer gepackt und sie hatte in ihm nicht mehr einen gut aussehenden Mann, sondern einen Mitstreiter, Gegner, Spielpartner oder was auch immer gesehen. Dass sie in dieser Situation keine Hemmungen mehr im Umgang mit dem anderen Geschlecht hatte, wertete sie für sich als großen Fortschritt.
Jetzt aber seinem ruhigen, beobachtenden Blick ausgesetzt zu sein, ließ sie wieder unsicher werden. Die zwischenmenschliche Konversation war für sie ungleich schwieriger, da sie manchmal nicht wusste, was sie wie sagen sollte. Sie hatte keine Ahnung, was sie mit ihren Händen anfangen und wohin sie schauen konnte. Sie fühlte sich von ihm beobachtet, durchschaut – ihre Unsicherheit bloßgelegt. Oh Gott, vermutlich war es für ihn so klar wie Kloßbrühe, dass sie sich innerlich vor Unsicherheit wand wie ein Wurm.
„Nein, es geht mir wieder so gut wie vorher. Und du? Ist dir noch schlecht?“
„Nein, auch nicht. Ich kann wieder ziemlich normal essen. Nur ab und zu habe ich das Bedürfnis, mir die laue Seeluft um die Nase wehen zu lassen. Das ist alles.“ Er lächelte ein nettes, schiefes Lächeln.
Linda hätte gerne etwas Geistreiches gesagt, damit sie nicht über den jeweiligen Gesundheitszustand sprechen mussten wie zwei tattrige Greise im Pflegeheim. Aber ihr fiel wieder einmal nichts ein.
Stattdessen fügte sie an: „Vielen Dank übrigens noch für die kleine Blume gestern.“
Dabei blickte sie kurz zu ihm und merkte, dass er in den Anblick ihres offenen, blonden Haares versunken war. Betreten ergriff sie ihr Glas und nahm einen Schluck von ihrer Weißweinschorle.
„Gern geschehen. Du hast von allen Teilnehmern gestern definitiv am besten gesungen. Wo hast du das gelernt? In einem Chor oder in einer Band?“ Er blickte sie mit ehrlichem Interesse an.
Nein, in meinem Kinderzimmer – und das auch nur aus Frust. Sie errötete bei der Vorstellung, sich als Leadsängerin bei einer Rockband zur Schau zu stellen. „Ich habe noch nie irgendwo öffentlich gesungen. Immer nur zuhause.“
Erstaunt weiteten sich Philipps Augen. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Was für ein Jammer!“
„So würde ich das nicht formulieren ...“
„Wer eine solche Stimme hat, sollte andere daran teilhaben lassen!“
Insgeheim freute sich Linda über Philipps Kompliment. Doch sie wollte nicht lang und breit über ihre Motivation, die hinter ihrem Singen steckte, sprechen. Um Philipp von sich abzulenken, meinte sie nur: „Und was tust du für das Allgemeinwohl? Deine Stimme klingt nämlich auch ziemlich fantastisch.“
„Touché.“ Er grinste ertappt, freute sich aber sichtlich über das Kompliment. „Ich habe einfach keine Zeit, irgendwo mitzusingen. Außer bei Karaoke-Abenden.“ Noch ein breiteres Grinsen folgte. „Früher hatte ich nur Schwimmen im Kopf. Da gab es nichts anderes. Tägliches Training, Wettkämpfe, Meisterschaften. Da blieb nur noch wenig Zeit für andere Dinge. Und für die Schule lernen, musste ich schließlich auch noch. Die einzige Gelegenheit, für die ich das Singen wirklich ausnutzte, war, Mädchen zu beeindrucken. Wenn wir unsere Siege feierten, gab es immer viel Musik und gute Stimmung. Da schnappte ich mir gelegentlich das Mikrofon und sang einige Lieder. Ich kann nicht leugnen, dass das bei den Mädels immer gut ankam.“ Er schmunzelte bei der Erinnerung.
„Schwimmst du noch regelmäßig? Und wie bringst du es mit deinem Beruf unter einen Hut?“
„Ich gehe mindestens einmal die Woche ins Schwimmbad. Dann reiße ich meine Bahnen in verschiedenen Disziplinen runter und gehe wieder nach Hause. Manchmal jogge ich auch oder spiele mit Simon Squash.“
„Ich jogge zuhause regelmäßig. Es hilft mir, meinen Kopf freizubekommen. Das ist für mich fast schon eine meditative Sache“, gab Linda zu.
„Ja, das kenne ich vom Schwimmen. Wenn ich einen Kilometer am Stück schwimme, habe ich nach spätestens fünfzig Metern abgeschalten und alles vergessen. Joggst du hier auf dem Schiff auch?“ Philipp schaute sie neugierig
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