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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Mutter Erde. Ihr schmiegt euch vertrauensvoll an die Mutter Erde. Spürt euer Begehren. Bedankt euch bei euch selbst dafür, daß ihr euch dieses Begehren gewährt habt«, usw. Bruno lag auf der schmutzigen Gymnastikmatte und spürte, wie er vor Ärger mit den Zähnen knirschte; die Rotweinelse neben ihm rülpste in regelmäßigen Abständen. Zwischen zwei Rülpsern stieß sie mit lautem »Haaah! ...«, das ihren entspannten Zustand verkörpern sollte, den Atem aus. Die Karma-Schnepfe machte mit ihrer Nummer weiter und beschwörte die tellurischen Kräfte, die den Bauch und das Geschlecht bestrahlen. Nachdem sie die vier Elemente durchgegangen war, schloß sie, zufrieden mit ihrer Leistung, mit folgenden Worten: »Jetzt habt ihr die Schwelle des rationalen Geists hinter euch gelassen; ihr habt den Kontakt zu euren tiefen Schichten hergestellt. Öffnet euch nun dem unbegrenzten Raum des Schöpferischen.« »Leck mich ...«, dachte Bruno wütend, während er sich mit viel Mühe aufrichtete. Anschließend fand die Schreibsequenz sta tt, gefolgt von einer allgemeinen Einführung und dem Verlesen der Texte. Es war nur eine einzige halbwegs annehmbare Frau in dem Kurs: eine kleine Rothaarige in Jeans und T-Shirt und mit ganz schönen Kurven, sie hörte auf den Namen Emma und hatte ein völlig albernes Gedicht geschrieben, in dem von Mondschafen die Rede war. Im allgemeinen trieften alle vor Dankbarkeit und Freude über den wiedergefundenen Kontakt, Mutter Erde, Vater Sonne und das ganze Tralala. Dann kam Bruno an die Reihe. Mit düsterer Stimme las er seinen kurzen Text vor:

    Taxifahrer sind doch wirklich blöde Säcke sie halten nicht, selbst wenn ich verrecke.

        »Das empfindest du ...«, sagte die Yogini. »Das empfindest du, weil du deine schlechten Energien nicht überwunden hast. Ich fühle, daß du tiefe Schichten in dir verbirgst. Wir können dir helfen, hier und jetzt. Wir stehen jetzt alle auf und zentrieren uns wieder auf die Gruppe.«
        Sie richteten sich auf, nahmen sich an der Hand und bildeten einen Kreis. Widerwillig ergriff Bruno rechts die Hand der Rotweinelse und links die eines abstoßenden bärtigen Alten, der Ähnlichkeit mit Cavanna hatte. Konzentriert, aber ruhig, stieß die Yoga-Tante ein langes »Ohm« aus. Und dann ging es wieder los, alle stießen sie ein »Ohm« aus, als hätten sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan. Während Bruno noch tapfer versuchte, sich dem sonoren Rhythmus der Darbietung anzupassen, spürte er plötzlich, wie er rechts aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Schwer wie ein Stein fiel die Rotweinelse starr zu Boden. Er ließ ihre Hand los, konnte aber den Sturz nicht vermeiden und fand sich auf den Knien vor der alten Schlampe wieder, die ausgestreckt auf dem Rücken lag und auf der Matte zappelte. Die Yogini hielt einen Augenblick inne, um ruhig festzustellen: »Ja, Jacqueline, das ist richtig, leg dich hin, wenn dir danach ist.« Diese beiden da schienen sich gut zu kennen.

        Die zweite Schreibsequenz verlief ein wenig besser; inspiriert durch einen flüchtigen Anblick, der sich ihm am Vormittag geboten hatte, gelang es Bruno, das folgende Gedicht zu schreiben:

    Ritze-Ratze-Runzel
Ich bräune meinen Pimmel
Ritze-Ratze-Punzel
Ich träum, ich wär im Himmel

    Ich treffe Gott
Im Solarium
Er sitzt auf dem Pott
Und lacht sich krumm

    Ritze-Ratze-Simpel
Er wohnt im Paradies
Ritze-Ratze-Pimpel
Ist das nicht fies?

    »Da steckt viel Humor drin ...«, kommentierte die Yogini mit leicht vorwurfsvollem Unterton. »Eine Mystik ...«, riskierte die Rülpserin. »Eher eine umgekehrte Mystik ...« Wohin sollte das bloß führen? Wie lange würde er das noch ertragen? Lohnte sich das wirklich? Bruno stellte sich ernsthaft die Frage. Als der Kurs vorüber war, eilte er zu seinem Zelt, sogar ohne zu versuchen, mit der kleinen Rothaarigen ins Gespräch zu kommen; er brauchte einen Whisky vor dem Mittagessen. Als er in die Nähe seines Zelts kam, stieß er auf eines der jungen Mädchen, nach denen er sich bei den Duschen die Augen ausgeguckt hatte; mit einer anmutigen Bewegung, die ihre Brüste hob, nahm sie die Spitzenhöschen von der Leine, die sie am Vortag zum Trocknen aufgehängt hatte. Er hätte vor Lust platzen und den ganzen Campingplatz mit klebrigen Fäden bespritzen können. Was hatte sich eigentlich seit seiner eigenen Jugend geändert? Er verspürte die gleichen Begierden, nur wußte er inzwischen, daß er sie vermutlich nicht

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