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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Zeitlang in psychiatrische Behandlung begeben hatte, dann hatte er die Behandlung abgebrochen. Man versucht in Wirklichkeit immer, den Schmerz zu verringern. So lange sich der Schmerz durch ein Bekenntnis lindern läßt, redet man; anschließend schweigt man, gibt auf, und man ist allein. Wenn Bruno erneut das Bedürfnis empfand, über sein gescheitertes Leben zu sprechen, erhoffte er sich davon vermutlich irgend etwas, einen Neubeginn; das war vermutlich ein gutes Zeichen.
        »Sie war eigentlich gar nicht häßlich«, fuhr Bruno fort, »aber sie hatte ein völlig langweiliges Gesicht ohne jede Anmut. Sie hat nie jene Feinheit, nie jene leuchtenden Züge besessen, die manchmal das Gesicht eines jungen Mädchens erstrahlen lassen. Mit ihren etwas stämmigen Beinen kamen Miniröcke für sie nicht in Frage; aber ich habe sie dazu gebracht, hautenge kurze Pullis zu tragen und zwar ohne B H; es war sehr aufreizend, ihre großen Brüste zu sehen, die sich darunter abzeichneten. Anfangs war ihr das etwas peinlich, aber schließlich hat sie sich darauf eingelassen; sie hatte keine Ahnung von Erotik, von Reizwäsche, sie hatte einfach keinerlei Erfahrung. Aber ich erzähle von ihr, dabei kennst du sie doch, nicht?«
    »Ich bin auf deiner Hochzeit gewesen ...«
        »Ach richtig«, sagte Bruno wie benommen vor Verblüffung. »Ich erinnere mich, daß mich dein Kommen sehr überrascht hat. Ich hatte geglaubt, du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben.«
    »Ich wollte nichts mehr mit dir zu tun haben.«

    Michel dachte an jenen Tag zurück, fragte sich tatsächlich, was ihn dazu gebracht hatte, an dieser erbärmlichen Zeremonie teilzunehmen. Er sah die evangelische Kirche in Neuilly wieder vor sich, den fast kahlen, bedrückend nüchternen Raum, der gut zur Hälfte mit einer Gesellschaft gefüllt war, die ihren Reichtum nicht zur Schau stellte; der Vater der Braut hatte irgendeinen Posten in der Finanzwelt. »Sie waren Linke«, sagte Bruno, » wie alle damals übrigens Linke waren. Sie fanden es ganz normal, daß ich vor der Hochzeit mit ihrer Tochter zusammenlebte, wir haben geheiratet, weil sie schwanger war, na ja, das Übliche eben.« Michel erinnerte sich noch an die Worte des Pfarrers, die gut vernehmlich in dem kalten Raum hallten: Es war darin die Rede von Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, von dem Neuen Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hatte; auf jeden Fall hatte er Mühe gehabt, zu begreifen, worüber eigentlich im einzelnen gesprochen wurde. Nach einer dreiviertel Stunde im gleichen Stil war er allmählich in einen Halbschlaf verfallen, er wachte mit einem Schlag auf, als er folgende Formel hörte: »Der Gott Israels, der sich zweier einsamer Kinder erbarmt hat, segne euch.« Er hatte zunächst Mühe, zu folgen: War er etwa bei Juden? Er mußte eine Minute nachdenken, ehe ihm klar wurde, daß es sich ja um denselben Gott handelte. Der Pfarrer fuhr gewandt, mit zunehmender Überzeugung fort: »Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Kein Mensch hat je sein eigenes Fleisch gehaßt, im Gegenteil, er nährt und pflegt es, wie Christus es mit der Kirche getan hat; denn wir sind Glieder desselben Körpers, wir sind von seinem Fleisch und von seinem Bein. Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch. Und ich sage euch, das ist ein großes Geheimnis, sowohl was Christus wie auch die Kirche angeht.« Das war allerdings eine Formel, die den Nagel auf den Kopf traf: Sie w erden sein ein Fleisch. Mi chel dachte eine Weile über diese Aussicht nach und warf Anne einen Blick zu: Sie war ruhig und konzentriert, schien den Atem anzuhalten; das verlieh ihr fast eine gewisse Schönheit. Vermutlich angeregt durch das Pauluszitat fuhr der Pfarrer mit zunehmender Energie fort: »Herr, betrachte deine Dienerin mit Wohlwollen: Zu der Stunde, da sie sich mit ihrem Gatten im Bund der Ehe vereint, bittet sie dich um deinen Schutz. Gib, daß sie eine treue, züchtige Ehefrau in Christus bleibt und stets dem Beispiel der untadeligen Frauen folgt: daß sie liebevoll zu ihrem Gatten ist wie Rahel, sittsam wie Rebekka, treu wie Sara. Daß sie dem Glauben und den Geboten verbunden bleibt; daß sie, mit ihrem Gatten vereint, allen schlechten Umgang meidet; daß ihre Zurückhaltung ihr Ansehen einbringt, daß ihr Anstand Achtung einflößt, daß sie in Glaubensdingen bewandert ist. Daß sie mit Fruchtbarkeit gesegnet wird, daß alle beide die Kinder ihrer

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