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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Ersatzhandlung genannt. Anfang 1986, kurz nachdem Bruno dreißig geworden war, begann er zu schreiben.

    13

        »Keine metaphysische Wandlung«, sollte Djerzinski viele Jahre später schreiben, »vollzieht sich, ohne daß sie vorher durch eine ganze Reihe unbedeutender Wandlungen oder Mutationen angekündigt, vorbereitet und gefördert wird, die häufig bei ihrem ersten geschichtlichen Auftreten unbemerkt bleiben. Ich persönlich betrachte mich als eine dieser unbedeutenden Mutationen.«
        Djerzinski, der unter den Menschen Europas umherirrte, wurde zu seinen Lebzeiten kaum verstanden. Eine Gedankenwelt, die sich ohne einen wirklichen Gesprächspartner entwikkelt, wie Hubczejak in seiner Einleitung zu den Clifden Notes betont, kann manchmal der Falle der Idiosynkrasie oder des Wahns entgehen; aber es gibt kein weiteres Beispiel dafür, daß sie als Ausdrucksweise die Form einer widerlegbaren Abhandlung gewählt hat. Man kann hinzufügen, daß sich Djerzinski bis zum Schluß in erster Linie als Wissenschaftler verstanden haben muß; das Wesentliche seines Beitrags zur menschlichen Entwicklung war seiner eigenen Meinung nach in seinen Veröffentlichungen zur Biophysik enthalten - die auf durchaus herkömmliche Weise den üblichen Kriterien der inneren Stringenz und der Widerlegbarkeit unterworfen waren. Die stärker philosophischen Elemente, die in seinen letzten Schriften enthalten sind, bilden in seinen Augen nur gewagte, wenn nicht gar ein wenig verrückte Hypothesen, die sich weniger durch einen logischen Ansatz als vielmehr durch eine rein persönliche Motivation begründen lassen.
        Er wurde allmählich müde; der Mond glitt über die schlafende Stadt. Ein Wort würde genügen, das wußte er, und Bruno würde aufstehen, seine Jacke anziehen und im Aufzug verschwinden; in La Motte-Picquet gab es immer Taxis. Wenn wir die gegenwärtigen Ereignisse unseres Lebens betrachten, schwanken wir ständig zwischen dem Glauben an den Zufall und der Evidenz des Determinismus. Doch wenn es sich um die Vergangenheit handelt, haben wir überhaupt keinen Zweifel mehr: Es scheint uns völlig klar, daß sich alles so abgespielt hat, wie es sich tatsächlich abspielen mußte. Diese perzeptive Illusion, die an eine Ontologie der Dinge und der Eigenschaften gebunden ist und mit dem Postulat einer ausgeprägten Objektivität verbunden ist, hatte Djerzinski in großem Maße bereits überwunden; das war vermutlich der Grund, warum er nicht die üblichen, einfachen Worte aussprach, die den Bekenntnissen dieses weinerlichen, innerlich gebrochenen Mannes Einhalt geboten hätten, der mit ihm durch einen zur Hälfte gemeinsamen genetischen Ursprung verbunden war und der sich an diesem Abend auf dem Sofa lümmelte und schon seit langem die Grenzen des Anstands überschritten hatte, die der vorgegebene Rahmen einer menschlichen Unterhaltung erfordert. Er fühlte sich weder durch Mitleid noch durch Respekt geleitet; er hatte jedoch eine schwache, unbestreitbare Intuition: Hinter Brunos ergreifender, umständlicher Erzählung würde sich diesmal eine Botschaft abzeichnen; Worte würden ausgesprochen, und diese Worte hätten - zum erstenmal - einen endgültigen Sinn. Er stand auf und schloß sich in der Toilette ein. Sehr diskret, ohne das geringste Geräusch, übergab er sich. Dann ließ er etwas Wasser über sein Gesicht laufen und ging ins Wohnzimmer zurück.
        »Du bist kein Mensch«, sagte Bruno leise und blickte zu ihm auf »Ich habe es von Anfang an gespürt, als ich gesehen habe, wie du mit Annabelle umgegangen bist. Aber du bist der Gesprächspartner, den das Leben mir gegeben hat. Ich nehme an, es hat dich damals nicht überrascht, als du meine Texte über Johannes Paul II. erhalten hast.«
        »Alle Zivilisationen haben sich der Notwendigkeit stellen müssen, die elterliche Aufopferung zu rechtfertigen ...«, erwiderte Michel traurig. »Angesichts der historischen Umstände hattest du keine andere Wahl.«
        »Ich habe Johannes Paul II. wirklich bewundert!« protestierte Bruno. »Ich erinnere mich noch, es war 1986. Damals wurden zwei neue Fernsehkanäle geschaffen, Canal Plus und M6, die Zeitschrift Gl obe kam auf den Markt, und die Restau rants du coeur wurden eröffnet. Johannes Paul II. war der einzige, er war wirklich der einzige, der begriff, was in den westlichen Ländern vor sich ging. Ich war völlig verblüfft, daß mein Text von der Gruppe Glaube und Leben in Dijon so schlecht

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