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Elena - Ein Leben für Pferde

Elena - Ein Leben für Pferde

Titel: Elena - Ein Leben für Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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innerlich ganz kribbelig. Gleich würde Papa Fritzi zum ersten Mal unter dem Sattel sehen! Ich war wahnsinnig gespannt auf sein Gesicht und hoffte, dass Fritzi mich nicht blamieren würde. Ganz kurz erinnerte ich mich an meinen Albtraum.
    Lagunas tänzelte in der Stallgasse. Er konnte es nicht leiden, warten zu müssen. Christian versetzte ihm gereizt einen derben Stoß mit dem Ellbogen und Lagunas antwortete, indem er mit angelegten Ohren nach ihm schnappte.
    »Lass Christian vor«, sagte Papa zu Jens, als er Cotopaxi in seine Box führte. »Elena, hol doch schon mal Fritzi rüber.«
    »Was ist denn mit Fritzi?«, wollte Christian wissen.
    »Ich will mir mal anschauen, wie er springt.« Papa schloss die Boxentür. »Nachdem Nötzli am Freitag so begeistert war …«
    »Von was war der begeistert?«, schnaubte Christian und führte Lagunas Richtung Waschbox. »Doch wohl nicht von dem lahmen Zossen.«
    »Offensichtlich schon.« Papa zwinkerte mir zu. »Immerhin will er ihn Elena abkaufen.«
    Das war für meinen Bruder eindeutig zu viel. Er wurde erst rot, dann blass. Lagunas passte einen günstigen Moment ab und zwickte ihn in den Arm.
    »Aua, du blödes Viech!«, schrie Christian, holte aus und zog Lagunas das Ende des Führstricks über.
    »Na!«, mahnte Papa, aber Christian war taub vor Zorn. Er zerrte am Strick, Lagunas riss den Kopf hoch und dann ging plötzlich alles rasend schnell. Der braune Wallach prallte mit dem Kopf so heftig gegen das Solarium, das über der Waschbox angebracht war, dass es scheppernd gegen die Wand schlug. Lagunas erschrak, wollte zur Seite springen, aber der Boden war nass und er glitt mit den Hufeisen weg wie auf Glatteis. Es war ein mörderischer Krach, Funken stoben, als Lagunas’ Eisen über die Wand schabten. Die anderen Pferde sprangen in ihren Boxen herum.
    Starr vor Schreck sah ich ihn stürzen, wie in Zeitlupe. Ich hörte Papa schreien. Lagunas zappelte mit den Beinen und lag auf einmal ganz ruhig da, ohne sich zu rühren. Für ein paar Sekunden herrschte entsetzte Stille. Papa riss Christian, der hilflos dastand, den Führstrick aus der Hand.
    »Hau ab!«, knurrte er ihn an. »Verschwinde! Aber sofort!«
    Mein Bruder öffnete noch den Mund zu einer Antwort, doch Papa sah ihn so böse an, dass er lieber gehorchte und wegrannte. Lagunas stöhnte und versuchte vergeblich, wieder auf die Beine zu kommen, aber der Boden war zu glatt. Es war ein furchtbarer Anblick, das Pferd so hilflos daliegen zu sehen.
    Erst dann fiel mir mit Schrecken ein, dass Lagunas genau genommen gar nicht mehr Papa gehörte. Was, wenn er sich jetzt ernsthaft verletzt hatte? Dann war der Verkauf geplatzt. Es würde kein Geld geben und Papa konnte nicht die Hälfte der Schulden bezahlen!
    Mir wurde schwindelig, als ich begriff, welche Folgen Christians unbeherrschter Zorn haben konnte. Wie hatte mein Bruder das auch nur tun können? Immer und immer wieder hatte Papa uns eingetrichtert, im Umgang mit einem Pferd unter allen Umständen Ruhe zu bewahren, vor allen Dingen in kritischen Situationen. Und was gab es Kritischeres als eine Waschbox mit rutschigem Boden?
    »Jens!«, befahl Papa gerade mit gedämpfter Stimme. »Hol einen Sack Späne. Beeil dich.«
    Jens flitzte los. Lagunas stöhnte wieder und ruderte mit den Beinen.
    »Ruhig, mein Junge.« Papa hockte neben dem Kopf des Pferdes. »Ganz ruhig liegen bleiben. Wir holen dich da raus.«
    Jens kam mit dem Sack Sägespäne zurück, öffnete ihn und streute den Inhalt auf den Boden der Waschbox. Aber noch immer bekam Lagunas keinen richtigen Halt.
    »Elena, komm her«, sagte Papa mit halblauter Stimme.
    Ich schluckte und ging zu ihm. Er gab mir den Strick, dann kletterte er über Lagunas’ Rücken in die enge Waschbox. Das war lebensgefährlich! Wenn das sechshundert Kilo schwere Pferd jetzt Panik bekam, konnte es Papa an der Wand einquetschen! Aber Lagunas hatte wohl begriffen, dass wir ihm helfen wollten, und blieb regungslos liegen. Er starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an. Ich streichelte vorsichtig sein Gesicht und betete stumm, dass ihm nichts Schlimmes passiert sei. Es gelang Papa und Jens, Lagunas so weit zu drehen, dass er auf dem Bauch lag.
    »So.« Papa nahm mir den Führstrick wieder aus der Hand. »Und jetzt hoch mit dir, alter Junge. Na, komm schon! Hopp!«
    Aber Lagunas machte keine Anstalten aufzustehen. Ganz im Gegenteil. Er grunzte und ließ sich wieder auf die Seite sinken.
    »Scheiße«, flüsterte der Aknefrosch hinter mir.

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