Elenium-Triologie
ersten bereits, Sperber«, sagte er. »Er hat Euch behandelt, als Ihr das letzte Mal hier wart.«
»Ach? Ich fürchte, ich habe seinen Namen damals gar nicht mitbekommen.«
»Kein Wunder, Ihr wart ja die meiste Zeit im Delirium.« Der Abt warf noch einmal einen Blick auf den Zettel. »Der andere starb vor etwa einem Monat, aber Doktor Voldi kann Euch wahrscheinlich jede Frage beantworten, die Ihr ihm stellen werdet. Er ist ein bißchen von sich eingenommen, aber er ist auch wirklich der beste Arzt in Cippria.«
Er stand auf, trat an die Tür und öffnete sie. Zwei jugendliche Mönche standen davor. Wie Sperber fand, ähnelten sie sehr dem Paar junger Pandioner, die üblicherweise im Ordenshaus von Cimmura vor Vanions Tür Wache hielten. »Ihr«, wandte sich der Abt scharf an einen, »eilt in die Stadt und bringt Doktor Voldi zu mir. Und laßt keine Entschuldigung gelten.«
»Sofort, ehrwürdiger Abt«, antwortete der junge Mönch. Amüsiert bemerkte Sperber, daß die Füße des Mannes zuckten. Der Abt schloß die Tür und kehrte zu seinem Stuhl zurück. »Er könnte in etwa einer Stunde hier sein.« Er bemerkte Sperbers nicht völlig unterdrücktes Grinsen. »Irgend etwas Komisches, mein Freund?«
»Durchaus nicht, ehrwürdiger Abt. Ich dachte nur, wie zakkig Eure jungen Mönche sind.«
»Fällt es tatsächlich auf?« fragte der Abt ein wenig erschrocken.
»Ja, ehrwürdiger Abt. Wenn man weiß, wonach man Ausschau hält, dann schon.«
Der Abt verzog das Gesicht. »Glücklicherweise wissen die Einheimischen nicht viel von diesen Dingen. Ihr werdet die Entdeckung doch für Euch behalten, Sperber?«
»Selbstverständlich, ehrwürdiger Abt. Ich war mir der Eigenart Eures Ordens schon ziemlich sicher, als ich Euch vor zehn Jahren verließ, und habe mit niemandem darüber gesprochen – außer mit meinen Gefährten, als wir in Cippria ankamen und ich beschloß, Euch um Unterschlupf zu bitten.«
»Ich hätte es mir eigentlich denken können. Ihr Pandioner habt sehr scharfe Augen.« Der Breitschultrige stand auf. »Ich werde ein Abendessen heraufbringen lassen. Hier in der Gegend gibt es ziemlich große Sandhühner, und ich habe einen außerordentlich geschickten Falken.« Er lachte. »Jetzt wißt ihr, was ich tue, statt die Berichte zusammenzustellen, die nach Chyrellos gehen sollten. Was haltet ihr von Brathähnchen?«
»Sehr viel«, versicherte ihm Sperber auch für seine Gefährten.
»Und darf ich euch inzwischen etwas Wein anbieten? Es ist leider kein arzischer Rotwein, aber dennoch nicht schlecht. Wir bauen ihn hier selbst an. Außer für Reben taugt der Boden hier nicht viel.«
»Vielen Dank, Herr Abt«, sagte Sephrenia, »hättet Ihr statt des Weines Milch für das Kind und mich?«
»Ich fürchte, wir haben hier nur Ziegenmilch, ehrwürdige Sephrenia.«
Ihre Augen leuchteten auf. »Ziegenmilch wäre genau richtig. Kuhmilch ist so mild, und wir Styriker ziehen Kräftigeres vor.«
Sperber schauderte.
Der Abt sandte den anderen jungen Mönch um Milch und Abendessen in die Küche, dann schenkte er Sperber, Kurik und sich Wein ein. Danach lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und drehte abwesend den Stiel seines Glases zwischen den Fingern. »Können wir offen zueinander sein, Sperber?« fragte er ihn.
»Selbstverständlich.«
»Habt Ihr in Jiroch davon gehört, was sich in Cippria zutrug, nachdem Ihr uns verlassen hattet?«
»Kaum etwas«, antwortete Sperber. »Ich war zu der Zeit sozusagen untergetaucht.«
»Ihr wißt doch, was Rendorer von Magie halten?«
Sperber nickte. »Sie nennen sie Hexerei.«
»Das tun sie allerdings, und sie erachten sie als schlimmeres Verbrechen denn Mord. Jedenfalls, kaum daß Ihr weg wart, kam es hier zu einem regelrechten Ausbruch von Magie. Ich wurde unter anderen mit der Untersuchung betraut, da ich der ranghöchste Kirchenmann in diesem Gebiet bin.« Er lächelte ironisch. »Gewöhnlich spucken die Rendorer auf den Boden, wenn ich vorüberkomme, aber kaum flüstert jemand ›Hexerei‹, rennen sie mir mit weißen Gesichtern und hervorquellenden Augen das Kloster ein. Der Durchschnittsrendorer könnte sich nicht einmal, wenn sein Leben davon abhinge, die styrischen Worte des einfachsten Zaubers merken, aber immer wieder kommt es zu Beschuldigungen – gewöhnlich aus Bosheit, Neid und kleinlichem Haß. Jenes Mal aber war es ganz anders. Es gab tatsächliche Beweise, daß jemand in Cippria Magie höheren Grades einsetzte.« Er blickte Sperber an. »War irgendeiner
Weitere Kostenlose Bücher