Elenium-Triologie
sie die Zelte am Rand der Stadt erreichten. Im Süden strebte in einiger Entfernung rötlicher Schein den glitzernden Sternen entgegen. Sie gingen durch die Zelte auf die Lichter zu.
Die Fackeln flackerten auf hohen Stangen rings um ein natürliches Amphitheater – eine Mulde zwischen zwei Hügeln – am Südrand der Stadt. In der riesigen Mulde standen Arashams Anhänger dicht gedrängt, und der geistesgestörte heilige Mann stand auf einem großen Felsblock auf halber Höhe eines der Hügelhänge. Er war groß und hager und hatte einen langen grauen Bart und buschige schwarze Brauen. Mit schriller Stimme hielt er eine Strafpredigt, doch die Worte waren sehr schwer zu verstehen, da er, wie Perraine schon erwähnt hatte, nur noch zwei Zähne besaß. Als Sperber und Sephrenia die Menge erreichten, war der alte Mann gerade dabei, umständlich zu beweisen, wie ihm Gottes besondere Gunst in einem Traum zuteil geworden war. Seine Ausführung war äußerst verwirrend und voll von logischen Fehlern.
»Ergibt das Ganze denn überhaupt einen Sinn?« flüsterte Sephrenia Sperber verwundert zu, während sie Schienen, Verband und Schlinge abnahm.
»Ich kann keinen entdecken«, flüsterte er zurück.
»Dacht' ich's mir doch! Ermutigt der elenische Gott tatsächlich zu dieser Art von hysterischem Geschwätz?«
»Mich hat er noch nicht dazu aufgefordert.«
»Können wir ein bißchen näher an Arasham herankommen?«
»Ich glaube nicht. Vor ihm ist die Menge besonders dicht.«
Arasham wandte sich nun einem seiner Lieblingsthemen zu: der Anprangerung der Kirche. Gott, behauptete er, habe die organisierte elenische Religion verflucht, weil sie seinen erhabenen Status als der Auserwählte und geliebte Sprecher des Allerhöchsten nicht anerkennen wolle.
»Aber die Verruchten werden bestraft!« geiferte er, daß Speichel aus seinem fast zahnlosen Mund spritzte. »Meine Getreuen sind unbesiegbar! Habt noch eine kurze Weile Geduld, dann werde ich meinen heiligen Talisman erheben und euch in einem Krieg gegen diese Verruchten anführen! Sie werden ihre unseligen Ordensritter gegen uns schicken, doch ihr braucht sie nicht zu fürchten! Die Macht dieser heiligen Reliquie wird sie wie Staub im Wind vertreiben!« Er hielt etwas in seiner festgeschlossenen Faust hoch über den Kopf. »Der Geist des heiligen Eshand hat es mir selbst bestätigt!«
»Nun?« flüsterte Sperber Sephrenia zu.
»Er ist zu weit weg«, murmelte sie. »Ich fühle nichts. Ich weiß nicht einmal, was er in der Hand hält.«
Arasham senkte die Stimme zu einem rauhen, verschwörerischen Ton. »Höret, o ihr Getreuen, und wisset, daß meine Worte die Wahrheit sind. Die Stimme Gottes hat mir offenbart, daß unsere Bewegung sich bereits durch die Wälder und Wiesen der Königreiche im Norden ausbreitet. Die einfachen Leute dort – unsere Brüder und Schwestern – sind das Joch der Kirche leid und werden sich unserer heiligen Sache anschließen!«
»Es war Martel, der ihm das sagte«, flüsterte Sperber. »Und wenn er Martel für die Stimme Gottes hält, ist er sogar noch verrückter, als ich dachte.«
Er stellte sich auf Zehenspitzen und blickte über die Köpfe der Menge. Ein Stück unterhalb von Arasham stand ein großes Zelt, das von einer Palisade hoher Pflöcke umgeben war. »Sehen wir zu, daß wir um diese Menge herum kommen«, schlug er vor. »Ich glaube, ich habe das Zelt des Alten entdeckt.«
Langsam bahnten sie sich einen Weg durch die Massen, bis sie den Rand erreicht hatten. Arasham redete immer noch geifernd, doch seine undeutlichen Worte verloren sich in der Ferne und im Gemurmel seiner Anhänger.
Sperber und Sephrenia huschten abseits der Menge auf den Palisadenzaun und das dunkle Zelt in dessen Mitte zu. Als sie noch gute zwanzig Schritt davon entfernt waren, legte Sperber die Hand auf Sephrenias Arm, und sie hielten inne. Mehrere Bewaffnete standen am Eingang der Palisaden. »Wir werden warten müssen, bis er mit Predigen aufgehört hat«, murmelte Sperber.
»Würdet Ihr mich vielleicht in Euren Plan einweihen?« sagte Sephrenia. »Ich hasse Überraschungen.«
»Ich will sehen, ob wir irgendwie in sein Zelt gelangen können. Wenn sein Talisman wirklich über Kräfte verfügt, dürfte es schwierig sein, ihm das gute Stück mitten in der Menge abzunehmen.«
»Und wie wollt Ihr es dann bewerkstelligen, Sperber?«
»Ich glaube, ich versuche es mal mit Schmeichelei.«
»Ist das nicht ein wenig gefährlich – und sehr
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