Elenium-Triologie
was das ist, Sperber?« fragte er.
»Nein, Allerheiligster. Ich fürchte nicht.«
»Der heilige Eshand begann sein Leben als Schäfer, wißt Ihr?«
»Ja, das ist mir bekannt.«
»Eines Tages, als er noch sehr jung war, gebar ein Schaf seiner Herde ein makellos weißes Lamm, dessengleichen er noch nie zuvor gesehen hatte. Im Gegensatz zu allen anderen Schafen dieser Rasse hatte dieser neugeborene Widder Hörner. Das war natürlich ein Zeichen Gottes. Das reinweiße Lamm symbolisierte offenbar den heiligen Eshand, und die Tatsache, daß das Lamm gehörnt war, konnte nur eines bedeuten: daß Eshand auserwählt war, die Kirche ihrer Sündhaftigkeit wegen zu bestrafen.«
»Wie wundersam die Wege Gottes sind!« staunte Sperber.
»Wahrlich, mein Sohn, wahrlich. Eshand sorgte liebevoll für den Schafbock, und schließlich begann dieser mit der Stimme Gottes zu ihm zu sprechen. Auf solche Weise lehrte Gott Es-hand, was er tun mußte. Diese heilige Reliquie ist ein Stück des Hornes jenes heiligen Widders. Jetzt versteht Ihr sicher, weshalb es so ungeheure Kräfte besitzt.«
»Ja, Eure Heiligkeit«, versicherte ihm Sperber mit ehrfürchtiger Stimme. »Komm näher, kleine Schwester«, rief er Sephrenia zu. »Sieh dir diese wundersame Reliquie an!«
Sie trat heran und betrachtete eingehend das Stückchen verdrehtes Horn in Arashams Hand. »Wundervoll«, murmelte sie. Sie blickte Sperber an und schüttelte fast unmerklich den Kopf.
Bittere Enttäuschung zog ihm den Mund zusammen.
»Die Kraft dieses Talismans wird die gesammelte Macht der verfluchten Ordensritter und ihrer abscheulichen Hexerei vernichten!« erklärte Arasham. »Gott hat mir das gesagt!« Er lächelte fast schüchtern. »Ich habe etwas wahrlich Bemerkenswertes entdeckt«, gestand er ihnen vertraulich. »Wenn ich allein bin und die heilige Reliquie ans Ohr halte, kann ich die Stimme Gottes hören. So unterweist er mich, wie er einst den heiligen Eshand unterwies.«
»Ein Wunder!« rief Martel mit gespieltem Staunen.
»Ja, nicht wahr?« Arasham strahlte.
»Wir sind Euch unendlich dankbar, daß Ihr uns die Möglichkeit gewährt habt, diesen Talisman zu sehen, Eure Heiligkeit«, versicherte ihm Sperber. »Wir werden in allen Königreichen des Nordens von ihm berichten. Nicht wahr, Martel?«
»Oh. O ja, natürlich.« Martel wirkte leicht verwirrt und blickte Sperber mißtrauisch an.
»Ich erkenne nun, daß unsere Reise hierher ein Teil von Gottes Fügung ist«, fuhr Sperber fort. »Ich betrachte es hinfort als meine Mission, allen Königreichen des Nordens dieses Wunder zu verkünden – in jeder Stadt, in jeder Ortschaft, an jeder Straßenkreuzung. Ich spüre bereits, wie die Gnade Gottes meiner Zunge Beredtheit schenkt, damit ich besser beschreiben kann, was ich hier sehen durfte.« Er streckte die Rechte aus und schloß sie um Martels linke Schulter – sehr fest. »Spürst du es nicht auch, Bruder?« fragte er begeistert.
Martel wand sich unmerklich, und Sperber fühlte, wie sich ihm die Schulter zu entziehen suchte. »Ja« erwiderte Martel mit leicht gequälter Stimme. »Ja, wahrhaftig. Ich spüre es ebenfalls!«
»Wundersam ist die Macht Gottes!« rief Arasham glücklich.
»Ja«, bestätigte Martel und rieb sich die Schulter. »Wundersam.«
Es hatte zunächst eine Weile gedauert, bis ihm die Idee gekommen war, was zum Teil an der Überraschung gelegen haben mochte, Martel so unerwartet wiederzusehen. Doch jetzt paßte alles zusammen, und plötzlich freute sich Sperber, daß Martel anwesend war. »Und nun, Eure Heiligkeit«, fuhr er mit verschwörerischer Stimme fort, »gestattet mir, daß ich Euch den Rest der Botschaft Seiner Majestät König Oblers mitteile.«
»Selbstverständlich. Mein Ohr gehört ganz Euch.«
»Seine Majestät befahl mir, Euch anzuflehen, ihm Zeit zu geben, seine Streitkräfte zusammenzuziehen, ehe Ihr gegen die bestechliche Kirche hier in Rendor marschiert. König Obler muß bei seiner Mobilmachung mit größter Vorsicht vorgehen, da die Hierokratie ihre Spione überall hat. Er wünscht sich inbrünstig, Euch zu unterstützen, doch die Kirche ist mächtig, und er muß eine große Armee zusammenstellen, um ihre Macht in Deira mit einem Streich so zu zerschmettern, daß sie nicht mehr genug Kräfte für einen Gegenschlag zu sammeln vermag. Sein Vorschlag ist, daß Ihr Euren Feldzug hier im Süden gleichzeitig mit seinem im Norden beginnt, denn das wird die Kirche so verwirren, daß sie in eine Zwickmühle gerät und nicht
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