Elenium-Triologie
ein!«
»Möchtet Ihr, daß ich ihn zurückbringe?« fragte Berit.
»Soll er sich ruhig umsehen«, erwiderte Sperber. »Wenn wir ihn nicht lassen, wird er den ganzen Tag bockig sein.«
Alsbald galoppierte Talen aus dem Dorf. Sein Gesicht war totenbleich, und aus seinen Augen sprach Entsetzen. Als er die anderen erreichte, rutschte er von seinem Pferd, würgte und übergab sich und brachte keinen Ton hervor.
»Wir schauen lieber nach«, wandte Sperber sich an Kalten. »Ihr anderen wartet hier.«
Die beiden Ritter trabten wachsam, die Lanze in der Hand, in die verlassene Ortschaft.
»Er war dort«, sagte Kalten leise und deutete mit der Lanzenspitze auf die Hufabdrücke, die Talens Pferd auf der morastigen Straße zurückgelassen hatte.
Sperber nickte. Sie folgten der Fährte zu einem Haus, das etwas größer als alle anderen war. Beide saßen ab, zogen ihre Schwerter und gingen hinein.
Die Zimmer waren staubig und vollkommen leer. »Hier ist ja gar nichts«, brummte Kalten. »Ich möchte wissen, was ihn so erschreckt hat.«
Sperber öffnete die Tür zu einer Kammer im hinteren Teil des Hauses und blickte hinein. »Sei so gut und hol Sephrenia«, sagte er düster.
»Was hast du entdeckt?«
»Ein Kind. Es lebt nicht mehr – es ist sogar schon ziemlich lange tot.«
»Bist du sicher?«
»Schau doch selbst!«
Kalten warf einen Blick in die Kammer und würgte. »Willst du wirklich, daß sie sich das ansieht?«
»Wir müssen wissen, was passiert ist.«
»Also gut, dann hole ich sie.«
Sie verließen beide das Haus. Kalten ritt zu den anderen zurück, während Sperber neben der Haustür stehenblieb. Wenige Minuten später kehrte der blonde Ritter mit Sephrenia zurück.
»Ich habe sie gebeten, Flöte in Kuriks Obhut zurückzulassen«, sagte Kalten. »Es ist gewiß besser, wenn sie nicht sieht, was dort drinnen ist.«
»Ganz gewiß«, pflichtete Sperber ihm bei. »Kleine Mutter«, wandte er sich entschuldigend an Sephrenia, »es wird nicht angenehm sein.«
»Wie so vieles«, antwortete sie entschlossen.
Sie warf einen raschen Blick in die Kammer; dann drehte sie sich um. »Kalten«, bat sie, »schaufelt ein Grab.«
»Ich habe keine Schaufel«, sagte er murrend.
»Dann nehmt die Hände«, befahl sie heftig. Kalten beeilte sich, das Haus zu verlassen.
Die Leiche des Kindes war verschrumpelt und ausgedörrt; die Haut war grau, und die tief in den Höhlen liegenden Augen starrten ins Nichts.
»Hat Bellina das getan?« fragte Sperber. Selbst ihm erschien seine Stimme laut.
»Nein«, erwiderte Sephrenia. »Das war der Sucher. Auf diese Weise ernährt er sich. Hier«, sie deutete auf Einstichstellen am Körper des Kindes, »und hier, und hier. Der Sucher saugt die Körpersäfte aus und läßt nur eine Hülle zurück.«
»Nicht mehr lange!« Sperbers Hand krampfte sich um den Schaft von Aldreas' Speer. »Wenn wir ihm das nächste Mal begegnen, stirbt er!«
»Habt Ihr die Macht, ihn zu töten, Lieber?«
»Es gibt keine Macht, die mich davon abhalten wird! Ich werde dieses Kind rächen – am Sucher oder an Azash oder an der Hölle selbst!«
»Ihr seid zornig, Sperber.«
»Ja, so könnte man es nennen.« Es war töricht und sinnlos, doch Sperber riß in blindem Zorn sein Schwert aus der Scheide und hieb auf eine Wand ein. Danach fühlte er sich ein kleines bißchen besser.
Die anderen kamen stumm ins Dorf zu dem offenen Grab geritten, das Kalten mit bloßen Händen gegraben hatte. Sephrenia trat mit der ausgetrockneten Leiche des Kindes aus dem Haus. Flöte brachte ein leichtes Leinentuch herbei, in welches sie das tote Kind wickelten. Dann legten sie es in sein ärmliches Grab.
»Bevier«, bat Sephrenia, »würdet Ihr für die unsterbliche Seele dieses Kindes beten? Es ist ein elenisches Kind, und Ihr seid der frömmste dieser Ritter.«
»Ich bin unwürdig.« Bevier strömten Tränen über die Wangen.
»Wer ist schon würdig, Lieber?« entgegnete sie. »Ihr wollt dieses arme Geschöpf doch nicht allein in die Dunkelheit schicken, oder?«
Bevier starrte sie an; dann kniete er sich neben das Grab und sprach das alte Gebet für die Verstorbenen der elenischen Kirche.
Eigenartigerweise trat Flöte zu dem knienden Arzier. Ihre Finger strichen auf seltsam tröstliche Weise durch Beviers gewelltes blauschwarzes Haar. Sperber beschlich das Gefühl, daß dieses ungewöhnliche kleine Mädchen vielleicht viel, viel älter war, als irgendeiner von ihnen ahnte. Dann hob sie die Syrinx an die Lippen. Sie spielte
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