Elenium-Triologie
Talen. Seine Stimme war leise, und er spähte nahe dem Feuer in die Dunkelheit.
»Hier drüben.«
Der Junge kam auf ihn zu. Er setzte die Füße vorsichtig auf, um in der Dunkelheit über kein Hindernis zu stolpern.
»Was ist, mein Junge?« fragte Sperber.
»Ich konnte nicht schlafen, da dachte ich, Ihr hättet vielleicht gern Gesellschaft.«
»Nett von dir, Talen. Es ist einsam, allein Wache zu stehen.«
»Ich bin froh, daß wir nicht mehr in der Burg sind«, gestand Talen. »So schreckliche Angst hatte ich noch nie im Leben.«
»Ich war selbst ein wenig nervös«, gab Sperber zu.
»Wißt Ihr was? Es gab eine Menge schöner Sachen in Ghaseks Burg, aber ich habe nicht ein einziges Mal auch nur daran gedacht, irgendwas zu stehlen. Ist das nicht merkwürdig?«
»Vielleicht wirst du erwachsen?«
»Ich kenne ein paar sehr alte Diebe«, gab Talen zu bedenken.
Dann seufzte er abgrundtief.
»Warum so bedrückt, Talen?«
»Es fällt mir schwer, dies einem anderen Menschen zu sagen, Sperber, aber das Stehlen macht nicht mehr soviel Spaß wie früher. Jetzt, da ich weiß, daß ich so gut wie alles, was ich will, von fast jedem stehlen kann, hat es seinen Reiz verloren.«
»Vielleicht solltest du dir einen anderen Beruf suchen.«
»Wozu würde ich mich denn sonst eignen?«
»Ich werde darüber nachdenken und es dir sagen, wenn mir etwas eingefallen ist.«
Plötzlich lachte Talen.
»Was ist so komisch?«
»Ich werde Schwierigkeiten haben, Empfehlungen zu bekommen«, antwortete der Junge immer noch lachend. »Meine Kunden wußten gewöhnlich nicht, daß sie Geschäfte mit mir machten.«
Sperber grinste. »Ja, das könnte sich als Problem erweisen. Aber uns wird schon was einfallen.«
Wieder seufzte der Junge. »Jetzt ist es bald vorbei, Sperber, nicht wahr? Wir wissen nun, wo dieser König bestattet ist. Wir müssen nur noch dorthin und seine Krone ausgraben, dann kehren wir nach Cimmura zurück. Ihr ins Schloß, ich auf die Straße.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Sperber. »Uns fällt sicher eine andere Möglichkeit als die Straße ein.«
»Kann sein, aber sobald es langweilig wird, laufe ich ja doch wieder weg. Ich werde das alles vermissen, wißt Ihr? Ein paarmal hab' ich mir vor Angst fast in die Hose gemacht; aber es hat auch schöne Zeiten gegeben. An die werde ich mich erinnern.«
»Dann haben sie dir wenigstens etwas geben können.« Sperber legte die Hand auf die Schulter des Jungen. »Leg dich wieder hin, Talen. Wir müssen morgen sehr früh raus.«
»Wie Ihr meint, Sperber.«
Sie brachen im Morgengrauen auf und ritten auf der furchigen Straße vorsichtig, damit die Pferde sich nicht verletzten. An der Holzfällerortschaft hielten sie diesmal nicht an.
»Was meinst du, wie lange werden wir brauchen?« fragte Kalten am Vormittag.
»Drei – vielleicht auch noch vier Tage – im Höchstfall fünf«, antwortete Sperber. »Sobald wir aus diesem schier endlosen Wald sind, wird die Straße besser und wir kommen schneller voran.«
»Dann gilt es nur noch, diesen Riesengrabhügel zu finden.«
»Das dürfte nicht so schwierig sein. Nach dem, was Ghasek gesagt hat, ist er so was wie ein Wahrzeichen bei den Bauern. Wir werden danach fragen.«
»Dann beginnt die Graberei.«
»Zu der wir auf keinen Fall irgendwelche Helfer brauchen können.«
»Weißt du noch, was Sephrenia in Alstroms Burg in Lamorkand gesagt hat?« fragte Kalten ernst. »Daß das Wiedererscheinen des Bhelliom sich laut in der ganzen Welt bemerkbar machen wird. Erinnerst du dich?«
»Vage«, antwortete Sperber.
»Falls Sephrenia recht hat und falls wir den Bhelliom finden und ausgraben, wird Azash davon erfahren, und dann werden uns auf dem Weg zurück nach Cimmura Scharen von Zemochern auflauern. Das kann sehr kribbelig werden!«
Ulath, der unmittelbar hinter ihnen ritt, warf ein: »Nicht unbedingt. Sperber hat bereits die Ringe. Ich kann ihn ein paar Worte der Trollsprache lehren. Sobald er den Bhelliom in Händen hält, gibt es fast nichts, was er nicht zu tun imstande wäre. Er kann ganze Regimenter von Zemochern verschwinden lassen.«
»Ist der Stein wirklich so mächtig?«
»Ihr habt keine Ahnung, Kalten. Wenn auch nur die Hälfte der Geschichten über ihn wahr sind, kann der Bhelliom so gut wie alles. Sperber könnte wahrscheinlich sogar die Sonne auf ihrem Weg am Himmel anhalten, wenn er wollte.«
Sperber blickte über die Schulter zu Ulath. »Muß man denn die Trollsprache beherrschen, um sich des Bhelliom zu
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