Elenium-Triologie
einfachen Leuten unterscheiden.«
»Sie beten Azash an!« sagte Bevier entrüstet. »Das allein macht sie schon zu Ungeheuern.«
»Sie fürchten Azash, Bevier«, verbesserte ihn Sperber. »Zwischen Fürchten und Anbeten ist ein Unterschied. Ich glaube nicht, daß wir hier einen Krieg bis zur völligen Vernichtung führen müssen. Wir brauchen die Menschen nur von den Fanatikern und den Elitetruppen zu befreien – von Azash und Otha ganz abgesehen. Ich glaube, danach können wir es dem zemochischen Volk selbst überlassen, seine eigene Religion zu wählen, ob es nun die elenische oder styrische ist.«
»Sie sind ein verderbtes Volk, Sperber!« beharrte Bevier. »Und eine Ehe zwischen Styrikern und Eleniern ist in den Augen Gottes abscheulich!«
Sperber seufzte. Bevier war erzkonservativ, und mit ihm zu streiten, würde zu nichts führen. »Wir können das alles nach dem Krieg klären, hoffe ich«, sagte er. »Jedenfalls können wir jetzt unbedenklich weiterreiten. Natürlich müssen wir auf der Hut sein, aber ich glaube nicht, daß es notwendig ist, ständig in Deckung zu bleiben.«
Sie saßen wieder auf und ritten aus dem Paß auf eine Hochebene mit vereinzelten, kleineren Waldungen. Es regnete nach wie vor, und die dicken Schneeflocken wurden dichter, während sie weiter gen Osten trabten. In der Nacht lagerten sie in einem Nadelwald. Ihr Feuer, das sie mit feuchten Zweigen nährten, war klein und brannte schlecht. Als sie am Morgen erwachten, stellten sie fest, daß schwerer nasser Schnee etwa drei Zoll hoch die Ebene bedeckte.
»Zeit, eine Entscheidung zu treffen, Sperber«, sagte Kurik, der durchs anhaltende Schneegestöber hinaus auf die weiße Ebene blickte.
»So?«
»Wir können weiterhin versuchen, diesem Pfad zu folgen, der nicht besonders gut markiert ist und wahrscheinlich in spätestens einer Stunde nicht mehr zu sehen sein wird, oder wir können nach Norden reiten, dann sind wir gegen Mittag auf der Straße nach Vileta.«
»Das zweite wäre dir lieber, nicht wahr?«
»Allerdings. Ich habe keine große Lust, in einem fremden Land herumzuirren und einen Pfad zu suchen, der vielleicht nicht einmal dorthin führt, wohin wir wollen.«
»Also gut, Kurik. Da du so versessen darauf bist, richten wir uns nach dir. Aber für mich war eigentlich nur entscheidend, daß wir das Grenzland hinter uns bringen, wo Martel ein paar Überraschungen für uns bereithalten wollte.«
»Wir verlieren einen halben Tag!« gab Ulath zu bedenken.
»Wir verlieren viel mehr, wenn wir irgendwo in diesen Bergen umkehren müssen«, entgegnete Sperber. »Wir müssen Azash nicht zu einer bestimmten Stunde oder an einem bestimmten Tag treffen. Wir werden ihm jederzeit willkommen sein.«
Sie ritten nordwärts durch den Matsch, die jetzt dicht fallenden Flocken und den Nebel, der selbst die nahen Berge vor ihnen versteckte. Der nasse Schnee klebte an ihnen, was zu ihrer düsteren Stimmung beitrug. Weder Ulath noch Tynian gelang es, ihre Laune mit ein paar gezwungen humorvollen Bemerkungen zu verbessern, und sie gaben es bald auf. So ritten schließlich alle stumm dahin und hingen schwermütigen Gedanken nach.
Wie Kurik vorhergesehen hatte, erreichten sie die Straße nach Vileta gegen Mittag und folgten ihr ostwärts. Nichts wies darauf hin, daß irgend jemand sie benutzt hatte, seit es zu schneien angefangen hatte. Der Abend machte sich an diesem schneetrüben Tag lediglich durch noch stärkere Düsternis bemerkbar. Für die Nacht suchten sie in einer alten, baufälligen Scheune Schutz vor dem Wetter. Und wie immer in Gegenden, wo sie mit Feindseligkeiten rechnen mußten, hielten sie abwechselnd Wache.
Spät am nächsten Tag ritten sie an Vileta vorbei. Es gab nichts in der Stadt, was sie gebraucht hätten, und es war besser, kein unnötiges Risiko einzugehen.
»Verlassen«, sagte Kurik, als sie an der Stadt vorüberritten.
»Woher willst du das wissen?« fragte Kalten ihn.
»Kein Rauch. Es ist kalt und schneit immer noch. Wenn jemand da wäre, hätten sie Feuer gemacht.«
»Ob die Leute wohl irgendwas vergessen haben, als sie die Stadt verließen?« sagte Talen mit glänzenden Augen.
»Verschwende keinen Gedanken daran!« mahnte Kurik ihn scharf.
Auch in den darauffolgenden zwei Tagen hielt das schlechte Wetter an, und die düstere Stimmung blieb.
»Warum tun wir das, Sperber?« fragte Kalten gegen Tagesende verdrossen. »Warum wir?«
»Weil wir Ordensritter sind.«
»Es gibt auch noch andere Ordensritter! Haben wir
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