Elenium-Triologie
sie auch zu unterdrücken suchte, und er stöhnte innerlich. Aphrael bedeutete ihm gebieterisch, vor ihr niederzuknien. Dann schlang sie die zierlichen Arme um seinen Hals und küßte Sperber. »Wenn du nicht aufhörst, dich über mich lustig zu machen, Sperber«, murmelte sie ihm so ins Ohr, daß nur er es hören konnte, »nehme ich dir die Rüstung weg und schicke dich auf die Weide zu den Schafen.«
»Verzeiht mir, Göttin.« Er grinste sie an.
Sie lachte und küßte alle aufs neue. Sephrenia hatte einmal erwähnt, daß Aphrael gern küßte. Das schien sich nicht geändert zu haben.
Zum Frühstück aßen sie Früchte, die den Menschen fremd waren, und ruhten sich im weichen Gras aus, während ihnen Vögel auf den Zweigen im Heiligen Hain ein Liedchen trillerten. Dann erhob sich Aphrael, und nachdem sie alle mit weiteren Küssen bedacht hatte, sprach sie in ungewohntem Ernst zu ihnen. »Obgleich ich traurig war, weil ich in vergangenen, einsamen Monaten eure Gesellschaft missen mußte«, begann sie, »habe ich euch nicht nur um dieses frohen Wiedersehens willen hierhergerufen, wie sehr es auch mein Herz mit Freude füllt. Ihr habt euch auf meinen Wunsch und mit der Hilfe meiner lieben Schwester« – sie lächelte Sephrenia strahlend an – »hier eingefunden, auf daß euch bestimmte Wahrheiten offenbar werden. Seht es mir nach, daß diese Wahrheiten so ungedeutet bleiben müssen, doch sie sind die Wahrheiten der Götter und weit jenseits eures Begreifens, fürchte ich; denn so sehr ich euch in Liebe zugetan bin, seid ihr jetzt wie Kinder für mich, so wie einst ich euch als Kind erschienen bin. Deshalb will ich die Grenzen eures Verstandes nicht mit Wissen stürmen, das ihr niemals ergründen könnt.« Sie ließ den Blick über ihre verständnislosen Mienen wandern. »Was ist nur los mit euch allen?« fragte sie gereizt.
Sperber stand auf, winkte der niedlichen Göttin mit dem kleinen Finger zu und führte sie ein Stück zur Seite.
Sie blickte ihn verärgert an. »Was ist?«
»Bist du in Stimmung für einen Rat?« fragte er.
»Ich höre«, sagte sie unwirsch.
»Du verwirrst sie mit wohlgesetzten Worten, Aphrael. Kalten sieht im Augenblick aus wie ein Ochse, der eine Axt auf den Schädel gekriegt hat. Wir sind schlichte Menschen, kleine Göttin. Du mußt mit schlichten Worten zu uns sprechen, wenn du möchtest, daß wir dich verstehen.«
Sie schürzte die Lippen zum Schmollmund. »Ich habe wochenlang an dieser Rede gefeilt, Sperber.«
»Es ist auch eine schöne Rede, Aphrael. Wenn du den anderen Göttern davon erzählst – und ich bin sicher, das wirst du –, dann trage sie ihnen vor, und sie werden begeistert sein. Doch um der Kürze wegen – diese Nacht dauert nicht ewig, wie du selbst weißt – und um der Verständlichkeit willen, halte ich eine gekürzte Fassung für angebracht. Du solltest dich auch von den allzu erhabenen Worten trennen, damit deine Rede sich nicht wie eine Predigt anhört – Menschen neigen dazu, bei Predigten einzuschlafen.«
Wieder schmollte sie ein bißchen. »Na gut, Sperber«, gab sie schließlich nach, »aber du nimmst mir den ganzen Spaß.«
»Wirst du mir je vergeben können?«
Sie streckte ihm die Zunge heraus und führte ihn zu den anderen zurück.
»Dieser nörglerische alte Bär meinte, ich solle zur Sache kommen.« Aphrael warf Sperber einen verschmitzten Seitenblick zu. »Er ist ja wirklich ein brauchbarer Ritter, doch von Poesie versteht er nichts. Aber gut. Ich habe euch zu mir gerufen, damit ich euch einiges über Bhelliom sagen kann – warum er so mächtig und so unendlich gefährlich ist.« Sie machte eine Pause und zog die rabenschwarzen Brauen zusammen. »Bhelliom ist kein Gott«, fuhr sie fort, »wohl aber ein Geist, und er ist älter als die Sterne. Es gibt viele solche Geister, und jeder hat viele Eigenschaften. Zu den wichtigsten zählt seine Farbe. Ihr müßt wissen, was geschieht…« Sie blickte sie alle an. »Vielleicht verschieben wir das lieber auf ein anderes Mal«, entschied sie. »Jedenfalls wurden diese Geister über den Himmel verteilt, damit…« Wieder brach sie ab. »Das ist sehr schwierig, Sephrenia«, klagte sie. »Warum müssen diese Elenier so unwissend sein?«
»Weil ihr Gott es vorzieht, ihnen nichts zu erklären, Aphrael«, antwortete Sephrenia.
»Er ist ein verschrobener alter Kauz«, sagte Aphrael. »Er stellt Gebote auf ohne irgendwelchen Grund. Das ist auch schon alles, was er macht: Gebote. Er ist manchmal schrecklich
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