Elf Zentimeter
dieser Minute lächerlich.
Vielleicht gibt es auch einfach nichts auf dieser Welt, das einfach so funktioniert. Sex, Selbstmord, alles macht Schwierigkeiten. Schwierigkeiten, die man überwinden kann, zugegeben. Aber woher die Motivation nehmen?
»Pass auf mit dem Föhn in der Wanne.«
Auf einmal stand meine Großmutter im Bad. Es ist wohl auch Schicksal, dass man in solchen Situationen zuzusperren vergisst. Das Schicksal sichert sich ab, für den Fall, dass man es mit einem Teil seines Gehirns doch ernstmeint.
Während meine Großmutter ihre dritten Zähne entnahm, zog sie den Stecker heraus.
»Macht man das jetzt wieder, mit den Jeans in der Wanne, damit man knackiger darin aussieht? Das hat dein Vater damals auch schon gemacht. Na ja, es kommt ja alles immer wieder.«
Beim Hinausschlurfen drehte sie gewohnheitsmäßig das Licht ab. Voll bekleidet saß ich allein in der Dunkelheit im Wasser. Ein Typ, der sich wegen seines zu kurzen Schwanzes umbringen wollte, scheiterte an einem zu kurzen Föhnkabel. Mein Schicksal fand das offenbar komisch.
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28
E twas verkühlt fuhr ich am nächsten Tag nach Wien.
Der Urologe hatte mir am Telefon von Extendern und Ähnlichem abgeraten, aber der hatte wahrscheinlich leicht reden. Ich schätzte ihn auf mindestens sechzehn Zentimeter. Ich schätzte alle Männer auf mindestens sechzehn Zentimeter. Ich konnte mir trotz all der Bilder und Postings im Internet nicht vorstellen, dass noch ein anderer Mann außer mir mit nur elf auskommen musste. Niemand konnte also die Dringlichkeit meines Problems verstehen, auch kein Arzt, der noch so viele Seminare darüber besucht hatte.
Außerdem werden Extender offenbar in großen Mengen verkauft. Das wäre wohl nicht der Fall, wenn nicht ab und zu ein paar Männer sich damit erfolgreich ihren Sechzehn-Zentimeter-Schwanz noch weiter verlängert hätten. Vielleicht ließe sich aus den Umsatzzahlen der Extender eine Wahrscheinlichkeit errechnen, ob auch mein Schwanz erfolgreich verlängert werden könnte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Schwanz durch gutes Zureden, Selbstmitleid und sporadische Schwellkörpermassagen wächst, ist natürlich in etwa bei null. Vor allem bei den Massagen ist das eigentlich klar. Theoretisch müsste der Schwanz ja sonst auch beim Onanieren wachsen. Dann könnten die meisten Typen wegen ihrer wohltrainierten Riesenprügel nur mit gespreizten Beinen herumlaufen.
Ich musste auf jeden Fall handeln. Aber mit dem Internet hatte ich schon schlechte Erfahrungen gemacht. Sex-Shops waren nicht mehr so schmuddelig wie damals, als sich unsere Väter hineinschlichen, weil es dort härtere Pornos gab als am Zeitungskiosk. Sie gehörten zum Straßenbild der Innenstädte, hatten auch Frauen als Zielgruppe entdeckt, und peinlich wäre es nur gewesen, wenn ich auch dort etwas von einer Studie gefaselt hätte.
Auf dem Weg zum Sex-Shop meiner Wahl in der Mariahilferstraße fuhr ich zum Stephansdom, um mich in die richtige Stimmung zu versetzen. Immerhin ist der Südturm, der mit seinen 137 Metern weit über den Dächern Wiens ragt, ein ordentliches Phallussymbol. Ich identifizierte mich aber eher mit dem nie fertiggestellten Nordturm, der sich – mit seinen 68 Meter Höhe – zum Südturm wie mein Schwanz zu dem eines Pornodarstellers verhält.
Was aber die Wiener Erzbischöfe, die Initiative »Rettet den Stephansdom« und sogar der als sehr lebensfroh bekannte Dompfarrer immer verschweigen, ist die Tatsache, dass die Fassade des Domes mit einem Penis und einer Vagina verziert ist. Den tausenden Touristen, die dort jeden Tag vorbeiströmen, entgeht das, obwohl sich beide Geschlechtsteile gut sichtbar auf den Seiten des Hauptportals befinden. Die Vagina sitzt auf einer angedeuteten Säule, rechts vom Portal zu sehen, wenn man davor steht, der Penis auf einer ebensolchen links davon.
Dieser Penis ist zwar ziemlich dick, aber wirklich nicht groß. Ich hoffte sehr, dass ihn der Steinmetz seinem eigenen nachempfunden hatte.
»Hier, Welt, sieh her. Das ist mein Schwanz. Er ist klein, aber ich stehe dazu.«
Auf jeden Fall ist er klein genug, um über Jahrhunderte hinweg trotz seiner gut sichtbaren Positionierung der breiten Öffentlichkeit zu entgehen.
Den Sex-Shop zu betreten fühlte sich dann auch an, wie durch das Riesentor des Stephansdoms zu schreiten. Ein langer Gang führte in das Geschäft, nur dass seine Wände nicht mit Säulen und Statuen geschmückt waren, sondern mit allerlei bunten Sexartikeln in großen
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