Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elf Zentimeter

Elf Zentimeter

Titel: Elf Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Scheiblecker
Vom Netzwerk:
Barrikaden gezeigt. Genau so ist das Leben, dachte ich, und irgendwann in der dritten Stunde schlief ich dann doch für eine Weile ein. Ich träumte, dass ich mit Sabine in einem Pariser Café saß und ihr die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes erklärte. Beeindruckt hing sie an meinen Lippen.
    Ich erwachte, weil das Pärchen vorne laut lachte, und ich erschrak, weil ich das Lachen zuerst auf mich bezog. Einer der Protagonisten des Films lag gerade mit seiner Freundin im Bett. Er redete auf sie ein. Er sagte, dass er nicht das geringste Problem damit hätte, wenn sie zu einem anderen ging.
    Das Mädchen auf der Leinwand dankte ihrem Freund, küsste ihn und verließ das Zimmer. Er schlief seelenruhig wieder ein. Ziemlich entspannt, der Typ. Dann ein Zeitsprung. Sie kam zurück und legte sich kichernd neben ihn. Er blieb im Halbschlaf. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. Jetzt kicherte er im Halbschlaf auch.
    Ich hatte nicht verstanden, was sie gesagt hatte. Mein Französisch reichte nicht aus. Deshalb las ich den Untertitel.
    »Der Typ hat einen winzig Kleinen, viel kleiner als deiner!«
    Das Pärchen vorne wieherte auf vor Lachen und auch die beiden auf der Leinwand kriegten sich nicht mehr ein.
    Ich schnappte meine Jacke und sprang auf. Das hier war ein verfluchter Ort.

[home]
    27
    D aheim suchte ich eine Rasierklinge. Ich wusste natürlich, dass ich mich am Ende nicht umbringen würde, aber ich war fest entschlossen, es meinem Schicksal vorzuspielen. Es sollte wissen, dass ich mir in Zukunft nichts mehr gefallen lassen würde. Dann konnte es sehen, wo es ohne mich blieb, das Schicksal.
    Bei der Rasierklinge fingen die Probleme schon an. Ich rasierte mich elektrisch und mein Vater verwendete Einwegrasierer. Mit einem Hammer schlug ich auf eins der Plastikdinger ein. Mit der Klinge hätte nicht einmal eine Küchenschabe Selbstmord begehen können. Was konnte ich noch tun? Mir fiel nichts ein.
    Vielleicht war mein Hirn auch schon auf die Größe meines Schwanzes geschrumpft. Elf Zentimeter von der Stirn bis zum Hinterkopf. Und auch das womöglich nur dann, wenn gerade genug Blut durch die Hirnlappen strömte. Im Internet gab es sicher auch Gehirnvergrößerungspumpen.
    Aus dem langsamen Verbluten im duftenden Rosenbad würde also nichts werden.
    Auch deshalb, weil wir weder Rosen noch Rosenbadextrakt im Haus hatten. Es war auch besser so. Ich konnte mir schon vorstellen, was der Hainfelder Arzt denken würde, wenn er mich totenblass zwischen den Blüten in der Badewanne liegen sähe.
    »Darum ist er nicht zu seiner Homosexualität gestanden. Wegen dieses kleinen Schwanzes. Vermutlich ist es besser so für ihn«, würde er in sich hineinmurmeln.
    Mit einem Elf-Zentimeter-Schwanz konnte man nicht einmal in Würde sterben.
    Ich entschied mich jedenfalls für Haarföhn, Steckdose und Badehose. Ich drehte den Wasserhahn auf und stellte mich barfuß in die Wanne. Bald reichte mir das Wasser über die Knöchel. Ich war nicht sicher, ob das schon reichte. Womöglich musste ich mit dem ganzen Körper im Wasser liegen. Ich setzte mich und sah dem Wasser bei Steigen zu. Das dauerte. Mit der Badehose in der Wanne, das war irgendwie lächerlich, fand ich jetzt.
    Ich kletterte wieder heraus, zog mir Hemd und Hose an und stieg neuerlich ins Wasser. Dann sah es wenigstens nicht nach Unfall aus. Die Leute sollten schließlich nicht denken, dass ich blöd genug gewesen war, um mir beim Baden die Haare zu föhnen. Wie sah eigentlich der Schwanz einer Wasserleiche aus? Weibliche Wasserleichen schwimmen angeblich mit dem Gesicht nach oben und männliche wegen ihres Gemächts andersherum. Bei mir wäre es wahrscheinlich vom Wellengang abhängig. Aber von Schwimmen konnte in der Wanne ohnedies keine Rede sein.
    Als das Wasser hoch genug gestiegen war, fiel mir ein, dass das mit dem Föhn angeblich nur im Film funktioniert. Moderne Föhns haben eine Sicherung eingebaut, die bei Berührung mit Wasser sofort den Stromkreis unterbricht. Sicher war ich nicht. Das ist eins der großen Probleme der Welt. Überall gibt es Informationen, und kein Mensch weiß, welche richtig sind.
    Ich hätte schnell im Internet nach einer Antwort auf diese Frage suchen können, wollte mich aber nicht in klatschnassen Kleidern an den Computer setzen. Ich konnte es ja einfach ausprobieren. Etwas Schlimmeres als der Tod konnte mir ja nicht widerfahren. Bloß reichte das Kabel nur bis zum Wannenrand. Ich hätte weinen können. Mein Schicksal machte mich selbst in

Weitere Kostenlose Bücher