Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
stürzen.“ Irrtocs Blicke glitten über die unerhört große Masse der Revolutionäre. Viele von ihnen würden den Berg der Götter nicht einmal erreichen, noch mehr würden im Kampf um seinen Gipfel fallen und die steilen Hänge hinabstürzen - getötet von übermächtigen Zauberwesen.
Irrtoc griff zu seiner Laute und spielte etwas. Und Túlina hörte ihm zu.
Aber es war eine traurige, melancholische Melodie, die er den Seiten des Instruments entlockte.
*
Es war Nacht auf dem Gipfel des Uytrirran.
Gria konnte keine Ruhe finden. Sie stand an der Brustwehr der Nebelburg und blickte hinunter in den Burggraben, wo schreckliche Kreaturen sich räkelten, stöhnten und einander fraßen.
Ich habe Angst!, wurde ihr auf einmal klar. Aber wovor habe ich Angst? Wovor nur? Vor der Zukunft vielleicht?
Sie wusste, welche Gerüchte unter den Sterblichen neuerdings kursierten. Sie hatte Dämonen unter die Menschen gesandt, um etwas über die Lage in den Niederungen der Sterblichen zu erfahren.
Und jene Dämonen hatten ihr Schreckliches berichtet!
Sie hatten ihr gesagt, dass die Menschen von der kommenden Revolution sprachen - zwar hinter vorgehaltener Hand nur und im Flüsterton. Aber die Ohren von Dämonen sind scharf. Sie wusste auch, dass viele der Sterblichen daran glaubten, dass Mergun vom Berg der Götter steigen würde, um ihnen in ihrem sonst aussichtslosen Kampf zu helfen.
Zunächst hatte sie dies nicht besonders aufgeregt. Schließlich war es zu jener Zeit (und wie man hört auch noch zu späteren Zeiten) eine Hauptbeschäftigung der Götter, Mythen und Legenden zu erschaffen.
Aber als sie dann davon hörte, dass Mergun den Uytrirran, den Berg der Götter, verlassen hatte, hatte sie sofort die anderen Götter darüber informiert, was ihr ihre Dämonen berichtet hatten.
Aber die anderen hatten sie nur ausgelacht.
Und nun stand sie des Nachts allein hier in der Dunkelheit und wusste nicht, was zu tun war.
Sollten sich etwa Xilefs Vermutungen am Ende doch noch als wahr herausstellen?, fragte sie sich. Nein, die Zukunft durfte nicht so geschehen, wie Xilef sie vorausgesehen und prophezeit hatte!
ES DARF NICHT! ES DARF EINFACH NICHT!, schrien ihre Gedanken verzweifelt. Ihr Geist stellte in diesem Moment ein einziges wogendes Chaos dar. Gedankenströme wallten hin und her.
Dazu haben sie kein Recht! Dazu haben diese Sterblichen kein Recht!, dachte sie. Wir, die Götter, sind die rechtmäßigen Herren dieser Welt. Welche Anmaßung der Menschen, sich mit uns ebenbürtig und gleich zu fühlen! Welche Arroganz und Einfältigkeit, gegen uns zu Felde ziehen zu wollen!
Aber dann kehrten ihre Gedanken wieder zu den düsteren und todesschwangeren Prophezeiungen des Xilef zurück.
Er muss lügen! Er MUSS!
Aber warum sollte er dies tun? Einzig und allein, um uns Angst einzujagen? Oder verfolgte er ein weitergehendes Ziel? Und wenn?
Welches konnte dies sein? Was konnte er beabsichtigt haben mit seinen Lügen?
Ach, wie sehr bedauerte Gria jetzt Xilefs Tod! Wie gern hätte sie ihn jetzt verschiedene Dinge gefragt! Aber die Mauer des Todes trennte sie von ihm.
Er ist an einem Dolchstoß gestorben, überlegte Gria. An einem Dolchstoß! Ist das nicht lächerlich? Ein Gott stirbt an einem primitiven Dolch. Wenn er gewollt hätte, hätte er den Angreifer abwehren können! Und wenn er gewollt hätte, so hätte er die Wunde in Augenblickschnelle heilen lassen können. Aber er hat es nicht getan.
Er hat sich nicht gewehrt.
Weshalb?
Wo liegt hierfür die Erklärung?
Warum ließ er sich kampflos und ohne sich zu wehren, niederstechen?
Und wer hat diese gemeine Tat verübt?
Es gab keinen, der ein Motiv hierzu haben konnte. Xilef hatte mit niemandem Streit.
Oder doch? Vielleicht behagte einem von uns die Zukunft nicht, die er uns offenbarte.
Plötzlich lief es Gria wie ein eiskalter Schauder über den Rücken: Wir alle hassten ihn - der Zukunft wegen, die er versprach und gleichsam auch verkörperte. Er war für uns das Schicksal, obwohl er an diesem nichts zu ändern vermochte. Alle von uns hätten ein Motiv gehabt, ihn zu meucheln - selbst ich.
Aber Gria merkte, dass sie auf diese Weise nicht weiter kam. Es war im Augenblick für sie alle unerheblich, wer Xilef umgebracht hatte. Entscheidend war nur, dass der Gott der Zukunft und der Prophezeiung jetzt tot war und Gria nicht helfen konnte. Sein Mund war nun für immer verschlossen. Keine düstere Prophezeiung würde mehr über seine Lippen kommen - und dies war
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