Elfenblick
Magie erreichen längst nicht alle aus unserem Volk. Und viele angesehene Magier kommen nicht darüber hinaus.«
Alawin beugte sich wieder vor und fixierte Mageli mit ihren milchig blauen Augen. »Und dann gibt es die dritte Stufe der Magie. Die Gabe, diese Ebene zu erreichen, besitzen die allerwenigsten, und das ist vielleicht auch gut so, denn es ist eine gefährliche Gabe, die zu Missbrauch verleiten kann. Wer die dritte Stufe erklimmt, ist in der Lage, seinesgleichen im Geiste zu berühren und in seinen Handlungen zu beeinflussen.«
Mageli hielt den Atem an. Das bedeutete, auf der dritten Ebene konnte man andere Elfen zwingen, das zu tun, was man von ihnen wollte. Gruselig! Ging das auch mit Menschen?, schoss es ihr durch den Kopf.
»Menschen sind leichter zu beeinflussen als andere Elfen, denn sie besitzen keine eigene Magie«, beantwortete Alawin wieder einmal Magelis unausgesprochene Frage. »Elfen hingegen können versuchen, sich dagegen zu schützen. Allerdings hängt es dann vom eigenen magischen Talent ab, wie erfolgreich dieser Schutz ist.«
»Und was hat das alles mit diesem Traumverlies zu tun?« Mageli konnte ihre Ungeduld nicht länger zügeln. Über Alawins Gesicht huschte ein Schatten und sie stieß ein leises Seufzen aus. »Für das Traumverlies benötigt ein Magier wie gesagt sowohl die Gabe der Traumwandelei als auch die dritte Stufe der Magie. Und eine schwarze Seele. Denn dieses Verlies ist meines Erachtens das Grausamste, was man einem Gegner antun kann.«
Mageli spürte ihr Herz fest gegen ihren Brustkorb pochen. Gebannt hing sie an Alawins Lippen.
»Der Magier dringt in den Traum seines Kontrahenten. Dort fordert er ihn heraus und unterwirft ihn, wenn seine Kraft der des anderen überlegen ist. Hat er ihn bezwungen, so schließt er seinen Geist und seine Seele im Traumreich ein, sodass der Unterlegene sich nicht mehr aus eigener Macht daraus befreien kann.«
»Und wer kann das?«, fragte Mageli atemlos. Sie hatte nun begriffen, worauf Alawin hinauswollte. Erins Geist war in der Traumwelt gefangen, nur sein Körper vegetierte noch in der realen Welt vor sich hin. »Wer kann ihn befreien?«
»Das kann nur ein ebenso starker Magier, der den Wächter des Traumverlieses herausfordert und bezwingt«, entgegnete Alawin und seufzte erneut. »Aber Ferocius ist ein mächtiger Gegner, und dass er eine tiefschwarze Seele besitzt, wenn er überhaupt eine hat, daran besteht kein Zweifel. Ich wüsste nicht, wer ihn herausfordern sollte.«
»Ich werde das tun.« Mageli spürte plötzlich ein so großes Selbstvertrauen, wie sie es noch nie empfunden hatte. Sie würde Erin befreien, koste es, was es wolle. Sie würde den Schattenfürsten bezwingen. Wie sie das anstellen sollte? Keine Ahnung! Aber sie würde es schaffen. Sie musste es schafften!
Alawin lachte sie nicht aus, sondern lächelte nur ihr wissendes Lächeln. »Deine magische Gabe ist groß«, sagte sie nachdenklich. »Nun musst du allerdings noch lernen, die Magie zu beherrschen.«
Die Magie der Elfen zu nutzen, war zugleich leichter und viel komplizierter, als Mageli es sich hätte träumen lassen.
Alawin hatte sie in ihr Labor geführt und erklärt, sie werde mit den grundlegenden Fähigkeiten der Magie beginnen, damit Mageli einen Eindruck davon bekomme. Tatsächlich legte sie mit den gleichen Übungen los, von denen Mageli auch schon bei Rikjana gehört hatte.
Mageli musste ein Feuer aus dem Nichts entzünden, einen Stein zum Leuchten bringen und eine Wurzel dazu, in Form einer Spirale zu wachsen. Nach und nach verstand sie, dass die Magie in ihr selbst schlummerte und sie diese nur erwecken musste. Das war der einfache Teil. Das Brennen in ihrer Brust wurde ihr immer vertrauter, und je länger sie sich mit den Übungen beschäftigte, desto stärker spürte sie die Flammen der Magie in ihrem Inneren. Als schwierig erwies es sich hingegen, die Magie gezielt einzusetzen. Wasser, das Mageli eigentlich mit magischer Energie zum Kochen hatte bringen wollen, ergoss sich in einem Schwall über den Labortisch.
»Nicht schlimm«, versicherte Alawin ihr und sorgte dafür, dass die riesige Wasserlache augenblicklich verdunstete.
Die Paste, die Alawin vor Mageli stellte, damit sie ihr ein gelbliches Glimmen entlockte, explodierte, noch ehe Mageli sich das gelbliche Glimmen überhaupt vorgestellt hatte.
»Kein Problem«, erklärte Alawin, während sie die schwarze, glibbrige Masse vom Tisch wischte.
Und bei dem Versuch, eine Rose aus einer
Weitere Kostenlose Bücher