Elfenblick
anfangen.«
»Dann werde ich die Damen mal allein lassen.« Ondulas erhob sich und schob seinen Dolch in den Gürtel. »Bei magischen Übungen wird mir immer so schnell schwindelig.«
Im Hinausgehen schenkte er Mageli ein besonders warmes Lächeln mit seinen Augen. Doch Mageli fand das alles andere als beruhigend.
»Kannst du irgendetwas Besonderes?« Rikjanas türkisblaue Augen funkelten Mageli aufmerksam an.
Leider hatte Mageli keine Ahnung, was sie damit meinte. Betont langsam hob sie ihre Schultern und ließ sie wieder fallen.
»Irgendetwas, das andere nicht können«, bohrte Rikjana nach. »Andere Menschen, meine ich, denn ansonsten hattest du bisher ja keinen Vergleich.«
Mageli zuckte nur wieder mit den Schultern. Was sollte das zum Beispiel sein? Kopfstand ohne Hände? Salto rückwärts?
»Ich war immer ziemlich gut in Sport, ziemlich schnell und ausdauernd und auch ziemlich geschickt«, erklärte sie zögernd und beobachtete Rikjanas Reaktion genau. Diese nickte mit dem Kopf. Das war also schon mal in Ordnung. »Musik kann ich auch ganz gut«, fuhr Mageli etwas selbstsicherer fort. »Das Flötespielen habe ich mir allein ohne Unterricht beigebracht.« Richtig, die Musik! In diesem Moment fiel ihr wieder ein, wie sie mithilfe ihrer Flöte den geheimen Eingang zum Dunklen Reich gefunden hatte.
»Das sind meine Gaben, richtig?« Aufgeregt lehnte Mageli sich zu Rikjana.
»Zumindest zeigt es, dass du eine Lichtelfe bist«, erklärte die Freundin. »Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Ausdauer ebenso wie Musikalität sind jedem von uns gegeben. Das gehört also quasi zur Grundausstattung. Darüber hinaus besitzen eigentlich alle Elfen vererbte Begabungen in verschiedenen Bereichen: der Magie, der Heil- und Kräuterkunst und dem Kampf zum Beispiel. Was du besonders gut kannst, müssen wir erst noch herauskitzeln, schätze ich.«
Wieder betrachtete sie Mageli mit diesem eindringlichen Blick. »Ist dir vielleicht in letzter Zeit oder auch früher etwas passiert, dass dir besonders komisch vorkam?«
Ob ihr in letzter Zeit etwas Komisches passiert war? Jede Menge! Seit Mageli Erin getroffen hatte, war eigentlich nichts mehr passiert, was nicht seltsam gewesen wäre. Mageli war verunsichert. Vielleicht hatte sie gar keine speziellen elfischen Gaben …
Dann aber fiel ihr die Begegnung mit der Eidechse auf ihrem Weg durch die unterirdischen Gänge ein. Das war schon sehr merkwürdig gewesen! Sie berichtete Rikjana, wie sie plötzlich fremde Bilder in ihrem Kopf gesehen hatte.
Rikjana lachte gelöst. »Nicht schlecht, nicht schlecht. Du kannst also mit Tieren kommunizieren. Das bedeutet, dass es um deine magischen Veranlagungen gut bestellt sein dürfte! Ist dir das früher schon gelungen?«
Mageli wollte verneinend mit dem Kopf schütteln, als sie daran denken musste, wie der Kater Shakespeare sie in letzter Zeit manchmal angesehen hatte. Und wie sie gedacht hatte, dass er ihr vielleicht etwas sagen wollte. Auch das erzählte sie Rikjana.
»Und kannst du die Tiere auch beeinflussen?« Rikjana wartete gespannt auf Magelis Antwort. Doch die wusste schon wieder nicht, was damit gemeint sein könnte. Also zuckte sie erneut die Schultern.
»Sag mal«, wechselte Rikjana plötzlich das Thema. »Wie alt bist du eigentlich, Mageli?«
»Sechzehn, wieso?«
»Dachte ich es mir!«, bemerkte Rikjana geheimnisvoll, erklärte dann aber: »Wir Elfen werden mit magischen Gaben geboren, jeder von uns. Als kleine Kinder können wir noch nicht darauf zugreifen. Erst wenn wir erwachsen werden, entfalten sie ihre volle Kraft. Also etwa in deinem Alter, bei dem einen früher, bei dem anderen später, je nachdem, wie stark diese Gaben ausgeprägt sind. Dass du jetzt erst beginnst, deine Gaben zu spüren, ist also ganz natürlich.«
Mageli wollte einwenden, dass sie überhaupt nichts spürte, doch Rikjana war bereits aufgesprungen und zu einem der Wandborde neben der Kochstelle hinübergelaufen. Leise vor sich hin summend, zog sie einige der tönernen Fläschchen und Schalen aus dem Regal, trug sie zum Tisch hinüber und stellte sie in einer Reihe vor Mageli auf.
»So, dann wollen wir mal schauen, was du kannst.« Voller Tatendrang rieb Rikjana die Hände aneinander. Mageli beäugte skeptisch die Ansammlung ihr unbekannter Zutaten vor sich auf dem Tisch.
»Fangen wir mit den Grundlagen an.« Rikjana hatte sich wieder neben Mageli gesetzt und schob eine der Schüsseln vor sie hin. Darin befand sich eine grüne, sirupartige
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