Elfenblut
nicht übel, Erhabene«, sagte Istvan. »Sie ist wirklich nur an Eurem Wohl interessiert. Wenn es nach ihr ginge, dann hätte ich Euch mindestens noch eine Woche lang schlafen lassen sollen.« Er lachte leise. »Ich musste ihr mit dem Kerker drohen, damit sie Euch aufweckt.«
»Und was gibt es so Dringendes, das Ihr mit mir besprechen wollt?«, fragte Pia. Sie versuchte noch einmal, sich weiter aufzusetzen, vergaß die eisernen Ringe um ihre Handgelenke und konnte einen zischenden Schmerzlaut nicht mehr ganz unterdrücken.
»Das tut mir aufrichtig leid, Erhabene«, sagte Istvan betroffen. »Ich wusste nicht, wie man Euch behandelt. Ich habe Befehl gegeben, gut auf Euch aufzupassen, aber der Mann, der Euch in die Stadt gebracht hat, war der Bruder eines der Soldaten, die Ihr auf der Lichtung getötet habt. Ich hätte das bedenken müssen.« Er hob die Schultern. »Ich habe Befehl gegeben, ihn hinzurichten.«
»Das möchte ich nicht«, sagte Pia.
Istvan lächelte. »Ich fürchte, dazu ist es bereits zu spät, Erhabene«, sagte er. »Und der Mann hat den Tod verdient. Immerhin wusste er, wer Ihr seid.«
»Ihr anscheinend nicht«, sagte Pia.
»O doch«, antwortete Istvan. »Ihr seid Prinzessin Gaylen. Oder zumindest jemand, der den Geist der wiedergeborenen Elfenprinzessin in sich trägt.«
»Und woher kommt diese plötzliche Einsicht?«, fragte sie.
»Vermutet habe ich es die ganze Zeit«, antwortete Istvan. »Aber seit ich Euch auf der Lichtung im Wald gesehen habe, weiß ich es. Ihr habt drei meiner Männer und fünf Barbarenkrieger getötet.«
»Ich konnte mich immer schon meiner Haut wehren«, antwortete Pia. »Da, wo ich herkomme, muss ein Mädchen so etwas frühzeitig lernen.«
»Ein Mädchen, das drei meiner besten Soldaten erschlägt und dazu noch fünf Barbaren?« Istvan schüttelte den Kopf. »Kaum. Und schließlich ist da noch etwas.« Er stellte die hölzerne Schale endlich auf den Tisch, beugte sich mit einem leisen Ächzen zur Seite und hob das Bündel auf, das neben seinem Stuhl auf dem Boden lag. Ein Schwert mit einem wuchtigen goldenen Griff und einer meterlangen Klinge aus Glas kam unter dem Stoff zum Vorschein, als er es auswickelte.
»Eiranns Zorn«, sagte er. In seiner Stimme lag unverhohlene Bewunderung. »Nur sehr wenige glauben, dass dieses mächtige Schwert überhaupt noch existiert. Und noch sehr viel weniger haben es je zu Gesicht bekommen. Ich bin Euch zu tiefem Dank verpflichtet, dass mir die Ehre zuteilwird, es in der Hand zu halten.«
»Dann zeigt doch Eure Dankbarkeit und macht mich los«, antwortete Pia und hob die angeketteten Arme.
»Ich sehe, es scheint Euch schon wieder besser zu gehen«, erwiderte Istvan amüsiert. Er setzte die gläserne Spitze des Schwertes auf den Boden, legte die Handfläche auf den Griff und versetzte der goldenen Parierstange mit der anderen Hand einen leichten Stoß. Das Schwert begann sich wie ein Kreisel zu drehen, und irgendetwas geschah mit dem Licht, das sich in der kristallenen Klinge brach. Pia wünschte sich, er hätte das nicht getan. Sie glaubte etwas wie ein Flüstern zu hören, einen düsteren, verlockenden Laut, der an ihrer Seele kratzte.
»Das … ist nicht Eiranns Zorn«, sagte sie unbehaglich.
»Nein, ist es nicht?« Istvan schnippte noch einmal nach der Parierstange und ließ das Schwert schneller kreiseln. Das Flüstern wurde lauter.
»Das ist eine Fälschung«, beharrte Pia.
»Und das würde ich vielleicht sogar glauben, hätte ich nicht gesehen, wie Ihr mit dieser Waffe gekämpft habt«, sagte Istvan. Seine Hand schloss sich mit einem Ruck um den Schwertgriff und brachte die Waffe abrupt zum Halten.
»Wenn das Eiranns Zorn wäre, dann könntet Ihr es nicht berühren«, sagte Pia nervös. »Ihr kennt die Legende.«
»Ich schon«, antwortete Istvan. »Aber Ihr anscheinend nicht, Erhabene. Jeder kann diese Waffe berühren. Alles andere wäre fatal, denn sie muss gereinigt werden, möglicherweise instand gesetzt, oder es mag sein, dass sie einfach zu Boden fällt und jemand sie aufhebt, der nicht ihr legitimer Besitzer ist. Jeder kann diese Klinge anfassen. Doch im Kampf führen kann sie nur, in wessen Adern das Blut des alten Elfengeschlechtes fließt. Wer dieses Erbe nicht in sich trägt und es dennoch versucht, dessen Seele ist unrettbar verloren. Ich habe gesehen, wie Ihr diese Klinge geführt habt, Erhabene, und es scheint Eure Seele nicht verschlungen zu haben.«
»Wer sagt Euch denn, dass ich jemals eine Seele
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