Elfenglanz
muss David anrufen«, sagte Laurel und griff nach dem Telefon, als ihr Vater nach oben ging.
»Warum muss David immer und überall dabei sein?«, murmelte Tamani, der unruhig durch den Raum tigerte.
»Vielleicht, weil er denkt, dass er gleich eine Schicht übernehmen muss?«, erwiderte Laurel spitz und wählte Davids Nummer. Tamani holte sein Handy heraus.
»Er hat ein iPhone?«, flüsterte Laurels Mutter, als Laurel es bei David zum zweiten Mal klingeln hörte.
Laurel nickte. »Das habe ich mir als Munition für die nächste Diskussion über ein Handy für mich aufgespart.«
Ihre Mutter schwieg, während Laurel Davids Mailboxansage hörte. »Haben sie denn Empfang? Ich meine, in Avalon?«, fragte ihre Mutter dann.
Laurel zuckte die Achseln und hinterließ eine kurze Nachricht auf Davids Mailbox. Er sollte sie anrufen, sobald er wach wurde. Sie erwog, ihn zu Hause auf dem Festnetz anzurufen, doch sie wollte seine Mutter nicht wecken. Schließlich war es gerade erst sieben Uhr morgens. Das würde warten müssen.
Wie alles andere auch.
Tamani ließ die Hand in der Hosentasche und schlenderte durch die Küche, immer hin und her, bis Laurel glaubte, gleich schreien zu müssen.
»Möchtest du vielleicht einen Tee, Tamani?«, fragte ihre Mutter schließlich leicht genervt. Im Haus der Sewells war es nicht üblich, ziellos hin und her zu laufen. »Oder willst du dich … ein bisschen säubern?«
»Säubern?« Tamani sah sie verwirrt an, bevor er sein zerrissenes Hemd und die Kratzer auf seinen Armen betrachtete, die nicht mehr nässten, aber noch vor Pflanzensaft glänzten. »Keine schlechte Idee«, sagte er zögernd.
»Und wie wär’s mit etwas zu Essen?«, schlug Laurel vor. »Beim Stand der Dinge könntest du doch auch wieder etwas Grünes essen«, fügte sie mit einem gezwungenen Lachen hinzu. Tamani hatte seine Lieblingsspeisen gemieden, damit sich seine Augen und Haarwurzeln nicht verräterisch verfärbten. Im Nachhinein betrachtet, war es völlig sinnlos gewesen. Yuki hatte von Anfang an gewusst, was er war.
Tamani nickte ruckartig. »Ja, danke. Gerne Brokkoli, wenn ihr habt.«
»Ich hole dir ein T-Shirt von oben«, sagte Laurels Mutter.
»Vielen Dank«, sagte Tamani, doch er hatte nur Augen für sein Handy. Es sollte endlich klingeln.
Wie betäubt nahm Laurel ein Messer, um den Brokkolistrunk klein zu schneiden, den sie aus dem Kühlschrank geholt hatte.
Tamani legte den Kopf schief und lauschte den Schritten von Laurels Mutter, die die Treppe hinauf und in ihr Zimmer ging. Dann sackte er auf dem Barhocker zusammen und fuhr sich stöhnend durch die Haare.
Laurel legte mehrere Röschen auf einen Teller und reichte ihn ihm. Tamani nahm den Teller mit der einen Hand und griff mit der anderen nach ihrer. Dabei sah er sie so leidenschaftlich an, dass es ihr den Atem verschlug. Langsam stellte er den Teller auf den Tresen und zog sie an sich.
Laurel schmiegte sich an seine Brust und klammerte sich an die Reste seines Hemdes. Er vergrub die Hände in ihrem Haar, legte sie um ihre Taille und drückte die Finger fast zu fest in ihren Rücken.
»Ich dachte wirklich, es wäre aus mit uns«, flüsterte er ihr ernst ins Ohr. Als sie seine Lippen auf ihrem Hals spürte, dann auf ihren Wangen und ihren Lidern, wich sie nicht zurück. Und als er sie küsste, hungrig und verzweifelt, erwiderte sie den Kuss mit Feuer und Leidenschaft. Erst jetzt, da sie die Verzweiflung hinter seinem Begehren spürte, wurde ihr klar, wie knapp sie dem Tod entronnen waren. Seit Barnes ihn angeschossen hatte, hatte Laurel nicht mehr erlebt, dass Tamani einen Kampf verloren hatte, und sie klammerte sich zitternd an ihn. Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie so eine Angst um ihn gehabt hatte.
Laurel strich zartfühlend über die Wunde auf Tamanis Wange, zog die Finger jedoch schnell zurück, als er an ihrem Mund vor Schmerz die Luft einsog. Doch er riss sich nicht los. Im Gegenteil, er zog sie noch näher an sich heran. Sie wünschte, sie hätten alle Zeit der Welt, sich in diesen Küssen zu verlieren und zu vergessen, dass Shar da draußen irgendwo um ihrer aller Leben kämpfte.
Schließlich löste er sich von ihrem Mund und schmiegte seine Stirn an ihre. »Danke«, sagte er leise. »Ich … ich brauchte dich gerade ganz schrecklich.«
Laurel flocht ihre Finger in seine. »Ich glaube, ich dich auch.«
Tamani sah ihr tief in die Augen und streichelte ihr Gesicht mit dem Daumen. Seine Verzweiflung war einer sanften Ruhe gewichen
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